Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Übernahme von Reisekosten im Zusammenhang mit einer Erweiterten Ambulanten Physiotherapie nach § 53 SGB 9

 

Leitsatz (amtlich)

Erweiterte Ambulante Physiotherapie stellt eine Leistung der ambulanten Rehabilitation im Sinne von § 40 Abs 1 SGB 5 dar (Anschluss an BSG vom 17.2.2010 - B 1 KR 23/09 R = BSGE 105, 271 = SozR 4-2500 § 40 Nr 5 und BSG vom 1.9.2005 - B 3 KR 3/04 R = SozR 4-2500 § 40 Nr 2). Für die Beurteilung der hiermit in Zusammenhang stehenden Reisekosten ist § 53 SGB 9 maßgeblich. § 60 Abs 1 iVm den Krankentransport-Richtlinien (juris: KrTRL 2004) findet keine Anwendung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. April 2009 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin Fahrkosten in Höhe von 116,01 € für die am 16. Juni 2004 und 18. Juni 2004 durchgeführten EAP-Behandlungen in ZS. zu erstatten. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Reisekosten zur Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP) in Höhe von 3.422,00 €.

Die Klägerin leidet anlagebedingt an einer Fehlbildung beider Kniegelenke. Diesbezüglich fanden in der Vergangenheit mehrere Operationen statt, zuletzt am 1. Juni 2004 in AS. Nachfolgend verordnete der Orthopäde Dr. HA. am 17. Juni 2004 zehnmal Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP). Als Diagnose gab er den Zustand nach Retropatellarersatz links an. Am 21. Juni 2004 übersandte das Zentrum für ambulante Rehabilitation E. GmbH, ZS. per Fax die Verordnung des Dr. HA. vom 17. Juni 2004 an die Beklagte.

Unter dem 8. Juli 2004, 3. August 2004, 26. August 2004 und 23. September 2004 verordnete Dr. HA. weiterhin je zehnmal Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP). Mit Verordnung vom 21. Oktober 2004 verschrieb der Orthopäde Dr. IR. der Klägerin ebenfalls zehnmal EAP und gab als Diagnose Zustand nach Fermoropatellarlageersatz li 6/04 an. Die Beklagte übernahm die Kosten dieser Verordnungen durch Bescheide vom 19. Juli 2004 und 18. Januar 2005.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2004 beantragte die Klägerin, die Kosten für die Fahrten zur Therapie nach ZS. zu übernehmen. Der Transport müsse mit einem Taxi erfolgen, da sie nur mit zwei Gehhilfen gehen könne. Sie legte ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. ED. vom 2. September 2004 vor, wonach sie aufgrund der schweren Gehbehinderung nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, so dass der Transport mit einem Taxi erfolgen müsse, bis die EAP abgeschlossen sei.

Mit Bescheid vom 9. September 2004 lehnte die Beklagte die Übernahme der Fahrkosten ab. Sie wies darauf hin, dass Fahrkosten zur ambulanten Behandlung seit dem 1. Januar 2004 grundsätzlich nicht mehr übernommen werden könnten, es sei denn, es liege ein besonderer Ausnahmefall vor. Außerdem müssten die Fahrkosten vorher genehmigt werden. Ein besonderer Ausnahmefall liege nur vor, wenn der Versicherte im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit einem der Merkmale (aG, Bl oder H) sei oder Leistungen der Pflegeversicherung gemäß der Pflegestufe II oder III beziehe.

Dagegen legte die Klägerin am 8. Oktober 2004 Widerspruch ein, den die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (Dr. RE.) vom 10. November 2004 durch Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2005 zurückwies. In der Begründung führte die Beklagte aus, dass Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung gemäß § 60 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) unter Abzug des sich nach § 61 S. 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 SGB V festgelegt habe, übernommen werden könnten. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor. Es liege auch keine vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse vor. Dauer und Umfang würden von der Krankenkasse festgelegt. Außerdem würden zahlreiche Therapiepraxen im Bereich ambulante Rehabilitation in A-Stadt und näherer Umgebung EAP durchführen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 22. Februar 2005 Klage bei dem Sozialgericht Darmstadt, mit der sie die Erstattung der Taxikosten in Höhe von 3.422,00 € begehrte.

Das Sozialgericht hat im Rahmen seiner Ermittlungen unter anderem von Amts wegen Befundberichte des Orthopäden Dr. IR. vom 17. Oktober 2007, des Dr. HA. vom 22. Oktober 2007, des Dr. ED. vom 23. Oktober 2007 und des Chirurgen Dr. XL. vom 7. November 2007 beigezogen. Außerdem hat es Informationen des Therapiezentrums JZ. vom 10. Oktober 2007, des Instituts EA., A-Stadt, vom 31. Oktober 2007 und des Instituts HT., H-Stadt, vom 3. März 2008 eingeholt und ein Sachverständigengutachten bei dem Fac...

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