Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Angestellter in einer Familien-GmbH. Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminorität und Geschäftsführereigenschaft. Beschäftigung. Weisungsgebundenheit. Rechtlicher oder tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH. Abstrakte Rechtsmacht. Fachwissen. Anstellungsvertrag. Anteil am Betriebseigentum. Lohnsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Sozialversicherungspflicht eines Angestellten in einer Familien-GmbH, der nur Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminorität und nicht Geschäftsführer ist.

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1; BGB § 181; SGB III § 25 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. Februar 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in den Jahren 1990 bis 2005 bei der Beigeladenen zu 1. sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.

Der 1954 geborene Kläger ist Ingenieur und seit dem Jahr 1977 bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt.

Die Beigeladene zu 1. ist im Mai 1961 von B. A. (der 1925 geborene Vater des Klägers) und C. A. (Onkel des Klägers) gegründet worden. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung von Baufertigteilen aus Beton und anderen Stoffen sowie der Vertrieb dieser Erzeugnisse und der Handel mit Baustoffen jeder Art sowie die Ausführung von Bauarbeiten. Die Stammeinlage in Höhe von 200.000 DM hielten zunächst B. A. in Höhe von 110.000 DM und C. A. in Höhe von 90.000 DM. Gemäß § 8 des Gesellschaftsvertrages gelten für die Beschlussfassungen der Gesellschafter die gesetzlichen Bestimmungen. Bei Abstimmungen gewährt ein Gesellschaftsanteil von 1.000 DM eine Stimme. Beide Gesellschafter wurden als Geschäftsführer bestellt, B. A. mit Alleinvertretungsberechtigung.

Der Kläger hält seit dem 23. Oktober 2003 als Erbe von C. A. dessen Stammeinlage (Testament der Eheleute C. und D. A. vom 26. April 1973; 1992 verstarb C. A.). Seit dem 1. Januar 2006 ist der Kläger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. Der Vater des Klägers blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2013 ebenfalls Geschäftsführer. Beide waren einzelvertretungsberechtigt.

Mit Arbeitsvertrag zwischen der Beigeladenen zu 1. und dem Kläger vom 22. Juli 1977 wurde der Kläger als Bauingenieur mit der Funktion eines technischen Leiters eingestellt. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug mindestens 48 Stunden. Es wurde ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1.800 DM vereinbart.

Am 13. Dezember 1989 schlossen die Beigeladene zu 1. und der Kläger einen Anstellungsvertrag. Nach der Präambel dieses Vertrages war beabsichtigt, den Kläger als weiteren Geschäftsführer der Gesellschaft zu bestellen. Der Kläger wurde als Betriebsleiter eingestellt, der neben dem Geschäftsführer für die wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Belange der Gesellschaft Sorge zu tragen hat. Auf Verlangen hat er an den Gesellschafterversammlungen teilzunehmen und mündliche oder schriftliche Zwischenberichte über seine Tätigkeit zu erstatten (§ 2 des Vertrages). Er hat seine gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen und möglichst die für die Gesellschaft geltende Arbeitszeit einzuhalten und jederzeit zur Dienstleistung zur Verfügung zu stehen (§ 3 des Vertrages). Darüber hinaus wurde vereinbart, dass der Kläger ab dem 1. Januar 1990 als Vergütung für seine Tätigkeit 4.700 DM monatlich bezieht, am Unternehmensgewinn beteiligt ist und ein erfolgsabhängiges 13. Monatsgehalt erhält. Im Krankheitsfall bestand ein Gehaltsanspruch für die Dauer von 42 Tagen. Dem Kläger stand ein Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen zu, der im Einvernehmen mit der Gesellschaft festzulegen war. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit mit einer halbjährigen Kündigungsfrist geschlossen. Der Kläger war berechtigt, Mitarbeiter einzustellen und zu entlassen sowie alle Handlungen vorzunehmen, die den gewöhnlichen Betrieb des Handlungsgewerbes der Gesellschaft betreffen. Entsprechende Kontovollmachten waren ihm einzuräumen. Änderungen des Vertrages bedurften der Schriftform.

Unter dem 15. Dezember 2005 schlossen der Kläger und die Beigeladene zu 1. mit Wirkung zum 1. Januar 2006 einen GmbH-Geschäftsführer-Vertrag. Hiernach ist der Kläger zusammen mit einem Prokuristen oder einem weiteren Geschäftsführer vertretungsberechtigt. Soweit kein weiterer Geschäftsführer vorhanden ist, vertritt er die Gesellschaft allein. Für seine Tätigkeit erhält er eine Jahresvergütung von 66.000 € brutto. Am 28. Juni 2007 wurde der Kläger als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen. Ebenso einzelvertretungsberechtigt und zudem befreit von den Beschränkungen gemäß § 181 BGB blieb weiterhin sein Vater.

Mit Schreiben vom 1. November 2007 beantragte die Beigeladene zu 1. die Überprüfung der Versicherungspflicht des Klägers.

Mit Bescheid ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge