Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigung. Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Anwendung der fiktiven Kündigungsfrist. Prüfung. Zeitpunkt. zeitlich begrenzter oder unbegrenzter Ausschluss. tarifvertragliche Vereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beurteilung, ob ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung iSv § 143a Abs 1 S 3 SGB III vorliegt, kommt es auf den Zeitpunkt der Kündigung bzw. den Zeitpunkt des Abschlusses der Beendigungsvereinbarung an. Dieser Zeitpunkt ist auch für die Beurteilung maßgeblich, ob der Ausschluss zeitlich begrenzt oder unbegrenzt ist.

2. Ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung im Sinne von § 143a Abs 1 S 3 SGB III aF liegt vor, wenn vertragliche, tarifvertragliche, betriebliche oder gesetzliche Regelungen einen (vollständigen) Ausschluss vorsehen. Ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung im Sinne von § 143a Abs 1 Satz 3 SGB III aF ist aber auch dann anzunehmen, wenn eine ordentliche Kündigung wegen Fehlens der dafür notwendigen Voraussetzungen, ausgeschlossen ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.06.2018; Aktenzeichen B 11 AL 13/17 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 26. Oktober 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 24. Juni bis 22. September 2010 wegen der Zahlung einer Entlassungsentschädigung.

Die 1957 geborene Klägerin war seit dem 1. Oktober 2002 bei der C. (C.) beschäftigt (Bl. 6 der Verwaltungsakte). Diese plante im Jahre 2009 eine größere Umstrukturierung ihrer Verwaltung. Dabei beabsichtigte sie, den Standort Marburg, an dem die Klägerin tätig war, zu schließen. Nach Verhandlungen zwischen der C. und ihrem Gesamtpersonalrat wurde am 13. Oktober 2009 (Bl. 104 ff. der Gerichtsakte) ein Umstrukturierungskonzept beschlossen, das ein Standortkonzept, einen Sozialplan und eine Dienstvereinbarung zur Expressabfindung enthielt. Danach sollten die Arbeitsplätze der Mitarbeiter, die in Marburg tätig waren, ersatzlos entfallen. Für die Betroffenen sollte die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Standort der C. zu unveränderten (oder notfalls zu geänderten) Bedingungen geprüft werden. Letztlich sollten betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Dieses Konzept wurde den betroffenen Mitarbeitern von der C. auf einer Informationsveranstaltung vorgestellt. In der Folgezeit wurde eine Vielzahl von Aufhebungsverträgen geschlossen, so dass die C. letztlich keine Kündigungen erklären musste.

Die Klägerin schloss am 5. November 2009 (Bl. 16 der Verwaltungsakte) einen Aufhebungsvertrag mit der C. Darin wurde vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2010 beendet wird. Zugleich wurde die Klägerin mit sofortiger Wirkung von ihren vertraglichen Verpflichtungen freigestellt. Schließlich wurde Einvernehmen über die der Klägerin bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zustehenden Zahlungsansprüche erzielt. Danach erhielt die Klägerin eine Sozialplanabfindung in Höhe von 15.234,20 Euro brutto und eine sog. Expressabfindung in Höhe von 4.570,26 Euro brutto. Nach ihrer frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung meldete sich die Klägerin am 26. Januar 2010 (Bl. 3 der Verwaltungsakte) bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. April 2010. Im Verwaltungsverfahren holte die Beklagte eine Stellungnahme der C. ein. Diese gab an (Bl. 31 der Verwaltungsakte), das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wäre ohne den Abschluss des Aufhebungsvertrags zum 30. Juni 2010 gekündigt worden. Außerdem teilte die C. auf die entsprechende Nachfrage der Beklagten mit, dass der Klägerin beim Abschluss des Aufhebungsvertrags noch kein Arbeitsplatz angeboten werden konnte (Bl. 36 der Verwaltungsakte). Im gerichtlichen Verfahren teilte die C. später mit, dass der Klägerin aufgrund des Abschlusses des Aufhebungsvertrages kein Arbeitsplatz angeboten werden konnte (Bl. 72 der Gerichtsakte). Außerdem gab die C. in einer korrigierten Arbeitsbescheinigung vom 5. Juli 2010 (Bl. 67 der Verwaltungsakte) an, dass die Klägerin neben ihren Abfindungen in Höhe von 19.804,46 Euro bei der Verhängung einer Sperrzeit eine weitere Abfindung in Höhe von 2.355 Euro erhält.

Mit Bescheid vom 7. April 2010 (Bl. 60 der Gerichtsakte S 2 AL 42/10) bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 17,65 Euro täglich für die Dauer von 450 Tagen ab dem 1. April 2010. In der Zeit vom 1. April bis 23. Juni 2010 ruhe der Anspruch indes wegen des Eintritts einer Sperrzeit. In der Zeit vom 1. April bis 23. September 2010 ruhe der Anspruch zudem wegen der von der C. an die Klägerin gezahlten Entlassungsentschädigung. Später hob die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 26. Juli 2010 (Bl. 30 der Gerichtsakte) den täglichen Leistungsbetrag des A...

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