Entscheidungsstichwort (Thema)

Kurzarbeitergeldanspruch. Leiharbeitnehmer. vorübergehender Arbeitsausfall. Branchenüblichkeit. Betriebsrisiko. Arbeitskampf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kurzarbeitergeld ist für die Beschäftigten eines gewerblichen Arbeitnehmerüberlassungsbetriebes auch dann nicht zu zahlen, wenn die Beschäftigten nicht kurzfristig in einem anderen Entleihbetrieb einsetzbar sind, weil sie quasi für einen Teil der Produktion die Stammbelegschaft des Entleihbetriebs ersetzen.

2. Das gilt grundsätzlich auch, wenn der Arbeitsausfall mittelbare Folge eines Arbeitskampfes in der Branche des Entleihbetriebes ist.

3. Die Rechtsprechung des BSG (vgl zuletzt vom 21.7.2009 - B 7 AL 3/08 R = BSGE 104, 83 = SozR 4-4300 § 170 Nr 2) wird auf diese Fallkonstellationen entsprechend angewandt.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2007 wird zurückgewiesen.

II. Kosten des Berufungsverfahrens sind auch nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für Arbeitnehmer der Klägerin Kurzarbeitergeld (Kug) für den Zeitraum vom 23. Juni 2003 bis 30. Juni 2003 zu zahlen hat.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen mit Sitz in A-Stadt, welches gewerbsmäßig Dritten Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlässt (Verleiher).

Im streitigen Zeitraum waren 100 Arbeitnehmer der Klägerin (Leiharbeitnehmer) in einer Betriebsabteilung eines Automobilkonzerns in D. (Entleiher) eingesetzt. Die vertragliche Regelung zwischen Klägerin und Entleiher sah branchentypisch vor, dass der Entleiher Lohnkosten nur zu tragen hat, soweit die Leiharbeitnehmer eingesetzt werden. Wegen weiterer Einzelheiten hierzu wird auf die mit Schriftsatz der Klägerin vom 2. März 2011 übersandten Arbeitnehmerüberlassungsverträge verwiesen. Mit Antragsformblatt vom 24. Juni 2003 zeigte die Klägerin bei dem Arbeitsamt D. einen Arbeitsausfall für die vorbenannten Leiharbeitnehmer für den streitigen Zeitraum an. Dabei führte sie aus, der Einsatzbetrieb des Entleihers sei geschlossen, weil er alle Leiharbeitnehmer freigestellt habe. Grund hierfür sei, dass wegen eines Streiks in Ostdeutschland benötigte Produktionsteile nicht verfügbar seien und deshalb eine Produktion nur eingeschränkt fortgesetzt werden könne. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anzeige selbst verwiesen.

Die Klägerin schloss mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vom 27. Juni 2003 ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vereinbarung verwiesen. Mit Bescheid vom 2. Juli 2003 lehnte das Arbeitsamt D. die Gewährung von Kug für die Leiharbeitnehmer ab. Zur Begründung führte sie aus, ein solcher Anspruch setze unter anderem einen erheblichen Arbeitsausfall mit Arbeitsentgeltausfall voraus. Aufgrund des Annahmeverzuges des Arbeitgebers bestehe aber weiterhin ein Anspruch auf Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer. Diese Regelung sei nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG unabdingbar.

Hiergegen legte die Klägerin am 15. Juli 2003 schriftlich Widerspruch ein. Zur Begründung gab sie an, es bestehe keine Entgeltfortzahlungspflicht für sie, weil der Entleiher nur mittelbar von Streikfolgen betroffen sei. Daher entfalle die Entgeltzahlungspflicht nach der allgemeinen Regelung des § 326 Abs. 1 BGB.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kug lägen nach § 169 Nr. 1 und § 170 Abs. 1 Nr. 4 SGB III nicht vor. Einen Anspruch auf Kug bestehe danach nur, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliege. Beim Leiharbeitsverhältnis gehöre es von vornherein zum allgemeinen Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers, ob er die für ihn ständig bereitgehaltene Arbeitskraft des Arbeitnehmers nutzen könne oder nicht. Ein darauf basierender Einsatzausfall gehöre daher zum wirtschaftlichen Risiko des Arbeitgebers. So habe das Bundesarbeitsgericht bereits mit Urteil vom 1. Februar 1973 - 5 AZR 382/72 - festgestellt, dass es mit Wesen und Struktur eines Personalleasingunternehmens unvereinbar sei, dem arbeitswilligen Leiharbeitnehmer im Falle eines durch einen Arbeitskampf bedingten Arbeitsausfalls im Betrieb des Entleihers das Lohnrisiko aufzubürden. Es gehöre vielmehr zum allgemeinen Wirtschaftsrisiko eines Verleihers, dass er als Folge von Arbeitsausfällen aus verschiedensten Gründen auch das Lohnausfallrisiko zu tragen habe. Weiter sehe § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG ausdrücklich vor, dass das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden könne.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. Dezember 2003 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben.

Die Klägerin hat darauf hingewiesen, die Leiharbeitnehmer seien ähnlich wie die Stammbelegschaft in die Betriebsabläufe des Entleihbetriebs integriert gewesen. Ein kurzfristiger anderer Einsatz in einem anderen Unternehmen se...

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