Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg zu den Arbeits- und zu den Sozialgerichten. Arbeitgeberanteile und -zuschüsse zu Ersatzkassenbeiträgen. betriebliche Übung. Gesamtzusage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für Ansprüche auf Arbeitgeberanteile oder Arbeitgeberzuschüsse zu Ersatzkassenbeiträgen, die nicht auf §§ 405, 420 RVO a.F. gestützt werden (können), ist der Rechtsweg zu den Arbeits- und nicht zu den Sozialgerichten gegeben (Anschluß an Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4. Juni 1974 – GmS-OGB 2/73 = SozR 1500 § 51 Nr. 2 –).

2. Die Rechtsinstitute ‚betriebliche Übung’ und ‚Gesamtzusage’ unterscheiden sich lediglich in der Form des Erklärungsverhaltens (konkludente oder ausdrückliche Erklärung). Sowohl die faktische betriebliche Praxis, als auch ausdrückliche Erklärungen können daher Indiz und Auslegungskriterium für die maßgebliche Willenserklärung des Arbeitgebers sein.

3. Zahlt ein Arbeitgeber erhöhte Zuschüsse oder Anteile zu den Krankenversicherungsbeiträgen von Ersatzkassenmitgliedern im Hinblick auf eine zuvor erteilte, jedoch kollektiv gekündigte Zusage, so erfüllt dies den Tatbestand der betrieblichen Übung, von der sich der Arbeitgeber gegenüber bereits berechtigten Arbeitnehmern nur durch Änderung der Einzelarbeitsverhältnisse lösen kann.

 

Normenkette

SGG § 51 Abs. 1 Nr. 1, § 52 Abs. 2; RVO §§ 405, 420 a.F.; BGB § 242

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.02.1990; Aktenzeichen S-25/Kr-1414/87)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerinnen und Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 1990 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen und Klägern für die Zeit vom 1. Juli 1985 bis zum 31. Dezember 1988 unter Berücksichtigung der bereits gezahlten Beitragszuschüsse oder Beitragsanteile die Hälfte der von diesen jeweils monatlich entrichteten Ersatzkassenbeiträge nebst 4 % Zinsen auf die ab Juli 1985 rückständigen Beträge zu zahlen.

II. Die Beklagte hat den Klägerinnen und Klägern deren außergerichtliche Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird hinsichtlich der Klägerinnen zu 2) und 4) sowie hinsichtlich des Klägers zu 3) zugelassen; hinsichtlich des Klägers zu 1) wird sie nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Höhe des von der Beklagten als Arbeitgeberin zu leistenden Beitragsanteils oder des Zuschusses zu den Ersatzkassenbeiträgen der Klägerinnen und Kläger vom 1. Juli 1985 bis 31. Dezember 1988.

Während des streitbefangenen Zeitraums war der Kläger zu 1) freiwillig bei einer Ersatzkasse versichert, die Klägerinnen zu 2) und 4) sowie der Kläger zu 3) sind pflichtversichert bei einer Ersatzkasse. Alle Klägerinnen und Kläger sind als Mitarbeiter der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin in einem von dieser betriebenen T.-Markt in beschäftigt. Seit Firmengründung im Jahre 1976 bis Juni 1985 hat die Beklagte ihren Beschäftigten jeweils 50 % von den Ersatzkassenbeiträgen als Arbeitgeberanteil erstattet. Die Geschäftsleitung der Beklagten hatte diesbezüglich am 20. Dezember 1977 eine Zusage folgenden Inhalts abgegeben:

„Herr W. gibt dem Gesamtbetriebsrat im Zusammenhang mit der Errichtung der Betriebskrankenkasse für die Ersatzkassenmitglieder folgende Zusage:

Alle pflicht- und freiwillig versicherten Ersatzkassenmitglieder erhalten als Arbeitgeberzuschuß 50 % des jeweiligen Ersatzkassenbeitrages.”

Mit Wirkung vom 1. Januar 1978 wurde für die Beschäftigten der Beklagten die R.-L.-Betriebskrankenkasse gegründet. Nach einer Beitragssenkung der Betriebskrankenkasse zahlte die Beklagte ab Juli 1985 als Zuschuß oder Beitragsanteil zu den Krankenversicherungsbeiträgen von Ersatzkassenmitgliedern nur noch die Hälfte des Betrages, der bei einer Mitgliedschaft in der Betriebskrankenkasse (BKK) entstanden wäre. Sie hatte dem Gesamtbetriebsrat im September 1984 mitgeteilt, daß sie ihre Zusage vom 20. Dezember 1977 nicht mehr aufrechterhalte und diesem gegenüber die Zusage mit Schreiben vom 28. März 1985 zum 30. Juni 1985 gekündigt. Daraufhin haben der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) am 20. Mai 1985, die Klägerin zu 4) am 15. Juli 1985 vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main und der Kläger zu 3) am 29. März 1985 vor dem Arbeitsgericht Gießen Klage erhoben. Mit im wesentlichen gleichlautenden Begründungen erklärte das Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit Urteilen vom 4. Dezember 1985 (Az.: 6 Ca 205/85, 6 Ca 231/85, 6 Ca-310/85, 6 Ca 319/85) den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig und verwies die Rechtsstreite an das Sozialgericht Frankfurt am Main. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht im wesentlichen aus, daß für die Klage eines Versicherungspflichtigen Ersatzkassenmitgliedes gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben sei. Dies ergebe sich schon daraus, daß der Anspruch auf den Beitragsanteil des Arbeitgebers gemäß § 520 Reichsversicherungsordnung (RVO) unbestritten ein öffentlich-rechtlicher Anspruch sei, der de...

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