Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Ergotherapie-Ausbildung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Begriffe der Berufsausbildung und Weiterbildung. berufliche Weiterbildung iS des § 37 Abs 2 SGB 9. Regelförderzeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelförderzeit von zwei Jahren nach § 37 Abs 2 SGB 9 gilt nur für Leistungen zur beruflichen Weiterbildung. Hiervon zu unterscheiden ist der Begriff der Berufsausbildung.

2. Die Begriffe der Berufsausbildung und Weiterbildung sind auch im Falle der Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers nach denselben Kriterien abzugrenzen, die für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts entwickelt wurden.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 19. August 2008 werden zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen für das Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von berufsfördernden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Umstritten ist dabei, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine Umschulung der Klägerin zur Ergotherapeutin bei dem Verein C. in A. zu fördern und die insoweit bereits entstandenen Aufwendungen zu erstatten.

Die 1975 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit von September 1996 bis Februar 2000 eine Ausbildung zur Zahntechnikerin. Diesen Beruf übte sie nur noch zwei Monate bis April 2000 aus. Nach einer vorübergehenden Tätigkeit als Sportanimateurin auf Lanzarote arbeitete sie von September 2000 bis Januar 2003 als Sachbearbeiterin bei verschiedenen Zeitarbeitsfirmen. Seither war sie arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos.

Die Beklagte bewilligte ihr in der Zeit vom 15. April bis 3. Juni 2003 eine stationäre Heilmaßnahme in der Klinik am D.- Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie - in E. Im Entlassungsbericht vom 6. Juni 2003 diagnostizierte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie F. bei der Klägerin u. a. eine rezidivierende depressive Störung in seinerzeit mittelgradiger Episode sowie eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ. Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen mutete er der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen (keine Tätigkeiten, die das Umstellungs- und Anpassungsvermögen betreffen, die unmittelbaren Publikums- und Kundenkontakt erfordern oder die Stress auslösen) für die Dauer von sechs Stunden und mehr zu.

Mit Bescheid vom 18. November 2003 bewilligte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach. In dem Bescheid wird ausgeführt, dass zunächst ein Beratungsgespräch mit dem Reha-Fachberatungsdienst erforderlich sei, um über Art und Umfang von Leistungen zu Teilhabe am Arbeitsleben entscheiden zu können.

Die zunächst für die Zeit vom 28. Januar bis 18. Februar 2004 vorgesehene Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung musste wegen eines akuten stationären Klinikaufenthaltes der Klägerin mit anschließender stationärer Therapie im Psychiatrischen Krankenhaus H. verschoben werden und fand letztlich in der Zeit vom 5. bis 24. September 2004 beim Berufsförderungswerk I. in J. statt. Im Ergebnisbericht des I. vom 13. Oktober 2004 wurde unter Bezugnahme auf die festgestellten Diagnosen (emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, rezidivierende depressive Störungen, rezidivierende Lumboischialgien bei Bandscheibenvorwölbung L5/S1, rezidivierende Harnwegsinfektionen, Neurodermitis, anamnestischer Zustand nach HWS-Schleudertraumen, anamnestisch Heuschnupfen, anamnestisch Latex-Allergie) ausgeführt, dass die Klägerin für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen geeignet sei. Schweres Heben und Tragen, Überkopfarbeiten sowie Schmutzarbeiten und Arbeiten unter Zeitdruck oder Akkord sollten vermieden werden. Der erlernte Beruf der Zahntechnikerin sei u. a. aufgrund der Neurodermitis nicht mehr leidensgerecht. Im bisherigen Beruf als Sachbearbeiterin liege offensichtlich eine krankheitswertige Unterforderung vor, die zu einer Verstärkung der psychischen Belastungen und Verminderung der Leistungsfähigkeit führten, weshalb eine berufliche Neuorientierung zu empfehlen sei. Im Rahmen der Eignungsbeurteilung für Reha-Berufe werde ärztlicherseits von einer zukünftigen Berufstätigkeit im sozial-helfenden Bereich abgeraten. Dies gelte insbesondere für den Beruf der Ergotherapeutin. Vielmehr sei ein Ausbildungsgang zur Kauffrau im Gesundheitswesen, zur Industriekauffrau oder auch zur Steuerfachangestellten geeignet. Vor Maßnahmebeginn solle ein dreimonatiger Rehabilitationsvorbereitungslehrgang durchgeführt werden.

Auf Bitten der Klägerin übersandte die BfA den Ergebnisbericht an den behandelnden Facharzt für Psychoth...

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