Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der gerichtlichen Überprüfung einer Änderungskündigung außerhalb des sachlichen Geltungsbereichs des KSchG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes gebietet, dass einem Arbeitnehmer gegen eine Änderungskündigung außerhalb des betrieblichen Anwendungsbereichs des KSchG die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung dieser Maßnahme zur Verfügung stehen muss.

2. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze über den Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes.

3. Trägt der Arbeitnehmer einen Sachverhalt vor, der die Treuwidrigkeit der Änderungskündigung indiziert, obliegt es dem Arbeitgeber diesen Vortrag zu entkräften und einen irgendwie einleuchtenden Grund für die ausgesprochene Maßnahme zu benennen.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 05.02.2015; Aktenzeichen 4 Ca 1674/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 5. Februar 2015 -4 Ca 1674/14 -abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 26.9.2014 rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung in einem Kleinbetrieb.

Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Zahnarztpraxis. Sie beschäftigt regelmäßig weniger als 10 Arbeitnehmer.

Die am xx.xx.1958 geborene Klägerin ist seit 1. August 1975 in der Zahnarztpraxis der Beklagten, bzw. deren Rechtsvorgänger, in Vollzeit (39 Stunden wöchentlich) zu einer Bruttomonatsvergütung von 2420 € als ausgebildete Zahnarzthelferin beschäftigt. Die übrigen 8 Mitarbeiterinnen der Praxis sind zwischen 18 und ca. 37 Jahre alt und weisen eine Betriebszugehörigkeit längstens seit 2007 auf. Die Klägerin ist an einem Leiden erkrankt, aufgrund dessen sie nicht längere Zeit ausschließlich im Sitzen arbeiten kann; insoweit wird auf die von ihr vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 29. August 2013 (Bl. 29 d.A.) Bezug genommen. Nachdem die Klägerin zunächst zumindest auch am Empfang eingesetzt wurde, wurde sie zuletzt nicht mehr dort, sondern überwiegend zur Assistenz bei Behandlungen eingeteilt.

Mit Schreiben vom 26. September 2014, der Klägerin am selben Tag persönlich übergeben, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. April 2015 und bot ihr eine Fortsetzung mit einer auf 29 Stunden reduzierten Arbeitszeit zu einer Bruttomonatsvergütung von 1799,49 € bei ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen an; diesbezüglich wird auf Bl. 4 der Akten verwiesen. Mit Anwaltsschreiben vom 15. Oktober 2014 (Bl. 5 d.A.) nahm die Klägerin dieses Änderungsangebot unter dem Vorbehalt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist, an.

Mit ihrer am 16. Oktober 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Diskriminierungsverbot verstößt und sittenwidrig ist.

Hierzu hat sie vorgetragen, dass sie wegen ihres Alters und ihres Gesundheitszustandes benachteiligt werde.

Demgegenüber hat die Beklagte eingewendet, der Klägerin seien in der Vergangenheit vermehrt Fehler unterlaufen, wodurch der Eindruck entstanden sei, sie sei überlastet. Durch die Reduzierung der Arbeitszeit habe sie entlastet werden sollen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 44-46 der Akten) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar sei § 2 KSchG außerhalb des betrieblichen Geltungsbereichs des § 23 Abs. 1 KSchG entsprechend anwendbar, um Arbeitnehmern in Kleinbetrieben einen Mindestschutz vor vollkommen unberechtigten Änderungskündigungen zu gewährleisten. Außerhalb des betrieblichen Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes sei auch eine Änderungskündigung jedoch nur auf Verstöße gegen Treu und Glauben oder Sittenwidrigkeit bzw. auf einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu überprüfen. Die Darlegungslast liege zunächst bei der Arbeitnehmerin. Umstände, die geeignet wären, die Treu- oder Sittenwidrigkeit des Änderungsangebots zu begründen, habe die Klägerin nicht im Einzelnen dargelegt. Zwar möge es sein, dass die Klägerin die älteste Arbeitnehmerin im Betrieb sei. Dass die Klägerin nicht mehr am Empfang eingesetzt werde, könne vielfältige Ursachen haben. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Altersdiskriminierung habe die Klägerin nicht dargelegt, sondern diesbezüglich lediglich Vermutungen geäußert. Soweit die Klägerin sich auf Mobbing berufe, hielten sich die von ihr geschilderten Vorfälle noch im Rahmen dessen, was als reguläre Konfliktsituation am Arbeitsplatz angesehen werden könne.

Dieses Urteil wurd...

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