Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Insolvenzverwalters für aus der Insolvenzmasse nicht voll zu erfüllende Masseverbindlichkeiten. Haftung für die Zahlung des Urlaubsgeldes von Arbeitnehmern bei Anzeige der Masseunzulänglichkeit drei Monate nach der Urlaubserteilung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Begründet der Insolvenzverwalter (IV) durch eine Rechtshandlung eine Masseverbindlichkeit, die dann aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann, so macht er sich grundsätzlich persönlich nach § 61 InsO schadensersatzpflichtig. Eine Ausnahme liegt vor, wenn er bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse nicht zur Erfüllung ausreichen wird.

2. Der IV ist berechtigt, zur Sicherung des Urlaubsanspruchs eines Arbeitnehmers nach erfolgter Kündigung diesen Urlaub zu erteilen, aber auch verpflichtet, dass Urlaubsentgelt zu zahlen.

3. Dabei ist ein insolvenzspezifische Freistellungsrecht des IV ohne die Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubsentgelt nicht anzuerkennen.

4. Erfolgt die Anzeige der Masseunzulänglichkeit drei Monate nach der Urlaubserteilung durch den IV, so ist darin eine schadensersatzbegründende Pflichtverletzung des IV nicht zu sehen.

5. Dies würde erst recht gelten, wenn der IV verpflichtet wäre, von sich aus Urlaub zu erteilen, aber gleichzeitig noch Arbeitsleistungen anderer Arbeitnehmer entgegennimmt und die Vergütung aus der Masse zahlt, was zu einer Schmälerung der Masse führt.

 

Normenkette

BUrlG §§ 7, 11; InsO § 61

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Entscheidung vom 13.04.2016; Aktenzeichen 1 Ca 32/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.09.2018; Aktenzeichen 6 AZR 367/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 13.04.2016 -1 Ca 32/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadenersatz.

Die Klägerin wurde am xx. xx. 1994 von dem Unternehmen A eingestellt. Seit dem 01. September 2004 wurde die Klägerin dann zur Verkaufsleiterin für den Vertrieb in Deutschland befördert und war mit dieser Tätigkeit für den Insolvenzschuldner tätig. Grundlage dieser Tätigkeit für den Insolvenzschuldner war der Arbeitsvertrag der Klägerin mit dem Insolvenzschuldner vom 10. August 2004. Wegen der Einzelheiten dieses Arbeitsvertrages wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 8 f. d. A.) Bezug genommen. Die Klägerin hatte ein Monatsbruttogehalt in Höhe von € 6.137,08 zuzüglich einer Jahressonderzahlung und der Nutzung eines Betriebs-PKW zu beanspruchen.

Mit Beschluss vom 28. März2012 wurde über das Vermögen des A das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Es existiert eine Abrechnung vom 25. April 2012, die unter der Rubrik Urlaubstage die Zahl 64,0 enthält und unter der Rubrik Urlaub genommen die Zahl 7,0 ausweist, während unter der Rubrik Urlaubsrest die Zahl 57,0 sich findet. Wegen der Einzelheiten dieser Gehaltsabrechnung wird auf die Anlage K 4 zur Klageschrift (Bl. 14 d. A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 27.April 2012 hat der Beklagte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter Bezugnahme auf § 113 InsO zum 31. Juli 2012 gekündigt. Wegen der Einzelheiten dieses Kündigungsschreibens wird auf die Anlage K 2 zur Klageschrift (Bl. 10 f. d. A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 27. April 2012 hat der Beklagte die Klägerin von der Arbeitsleistung freigestellt. Dabei hat der Beklagte erklärt, dass keinerlei Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehe und er deswegen die Klägerin ab dem 01. Mai 2012 unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freistelle. Des Weiteren hat der Beklagte in diesem Schreiben erklärt, dass die Freistellung unter Verrechnung von eventuellen Urlaubs- und Freizeitansprüchen erfolge. Der der Klägerin noch zustehende Resturlaub solle ab dem ersten Tag der Freistellung, d. h. dem 02. April 2012, gewährt werden. Schließlich hat der Beklagte in diesem Schreiben erklärt, dass das derzeitige Massevermögen nicht ausreiche, um die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer / -Innen bis zum Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist zu zahlen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Anlage K 3 (Bl. 12 f. d. A.) Bezug genommen. Die Klägerin hat auch ab diesem Zeitpunkt kein Arbeitsentgelt bekommen.

Am 31. August 2012 hat der Beklagte die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Anlage B 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 17. April 2014 (Bl. 45 f. d. A.) verwiesen. Das Amtsgericht in B - Insolvenzgericht - hat mit Beschluss vom 03. September 2012 sowie dem Ergänzungsbeschluss vom gleichen Tag - 1 IN 24/12 - die Anzeige der Masseunzulänglichkeit festgestellt. Wegen der Einzelheiten dieser Beschlüsse wird auf die Anlage B 3 zum Schriftsatz des Beklagten vom 17. April 2014 (Bl. 47 f. d. A.) verwiesen.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern von dem Beklagten, insbesondere auch während des Laufs der Kündigungsf...

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