Entscheidungsstichwort (Thema)

außerordentliche Kündigung. Verdachtskündigung. Schmiergeldverbot. Ausschlussfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zweiwochenfrist der §§ 626 Abs. 2 BGB, 54 Abs. 2 BAT ist auch eingehalten, wenn der Arbeitgeber vor der Kündigung eines Arbeitnehmers, gegen den wegen Bestechlichkeit und Untreue ermittelt wird, erst die staatsanwaltschaftliche Freigabeerklärung der auf den zu kündigenden Arbeitnehmer bezogenen Ermittlungsakten abwartet, zeitnah Akteneinsicht nimmt, im Anschluss hieran den Arbeitnehmer anhört und die Kündigung sofort nach dessen Stellungnahme erklärt.

2. Ein wichtiger Grund nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 54 Abs. 1 BAT liegt vor, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung dringende Verdachtsmomente bestehen, dass der Arbeitnehmer bei der Erfüllung dienstlicher Aufgaben mehrfach Vorteile entgegennahm, die dazu bestimmt oder geeignet waren, ihn in seinem dienstlichen Verhalten zugunsten Dritter oder zum Nachteil seines Arbeitgebers zu beeinflussen und er hierdurch gegen das sog. Schmiergeldverbot verstoßen und seine Pflichten aus § 10 BAT erheblich verletzt hat.

 

Normenkette

BGB § 626; BAT 54; BAT 10

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.09.2004; Aktenzeichen 7 Ca 250/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29. September 2004 – 7 Ca 250/03 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung sowie um einen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Der am 28. September 1955 geborene Kläger ist verheiratet und hat einen inzwischen erwachsenen Sohn. Er ist seit 01. März 1980 im Hochbauamt der Beklagten, einer hessischen Großstadt, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag Anwendung. Der Kläger erhielt zuletzt Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT in Höhe von EUR 2.959,83.

Im Jahr 1999 ermittelte die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen den Kläger und weitere Mitarbeiter des Hochbauamts wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und des Verstoßes gegen die Abgabenordnung. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens machte der Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma A GmbH, B, in Vernehmungen am 15. und 17. November 2000 sowie am 16. Februar 2001 Aussagen in Bezug auf Zuwendungen an Bauleiter des Hochbauamts. Hinsichtlich des Klägers sagte er Folgendes aus:

Vernehmung vom 15. November 2000:

„Ich räume jetzt ein, dass ich entgegen meinen bisherigen Angaben Geldzahlungen erbracht habe, und zwar an folgende Personen:

… und C (alle HBA) anlässlich des Weihnachtsfestes und des Geburtstags jeweils DM 100,00. Die Gelder wurden jeweils in einen Briefumschlag eingelegt und von mir übergeben. (…) Die Geldzahlungen erfolgen an diejenigen Mitarbeiter des ERV und HBA, mit denen die Firma A eine hohe Auftragslage hatte.”

Vernehmung vom 17. November 2000 (Bl. 91 ff. d.A.):

„Herr C erhielt seit mindestens fünf Jahren zu Weihnachten DM 100,00. Zum Geburtstag bekam er kein Geld. Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen, dass allen von mir genannten Bauleitern, egal in welchem Amt, klar war, dass Zuwendungen, Geld- oder Sachleistungen, mit einem Aufschlag in die laufenden Baumaßnahmen eingerechnet wurden. Das gehört zum allgemein bekannten System. Gleichfalls bestand unausgesprochene Übereinstimmung, dass diese Zuwendungen als Gegenleistungen gedacht waren für Auftragserteilung und reibungslose Abwicklung der Maßnahmen.”

Vernehmung vom 16. Februar 2001 (Bl. 101 ff. d.A.):

„Herr C hat zu Weihnachten und zum Geburtstag jeweils DM 100,00 bekommen und in der ganzen Zeit ein- oder zweimal weitere DM 100,00.”

Von Ende 1994 bis Juli 1999 war der Kläger im Hochbauamt, Abteilung D tätig. Diese Abteilung bestand aus dem Kläger und Herrn E als Bauleiter. Dieser wurde mit Urteil vom 12. Mai 2004 wegen Bestechlichkeit in 109 Fällen und wegen Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt. Herr E begann seine Arbeit regelmäßig früh morgens gegen 5.00 Uhr, während der Arbeitsbeginn des Klägers zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr war. Aufträge an Unternehmen wurden von Herrn E, nicht vom Kläger erteilt. Im Juni 1999 wechselte der Kläger in die allgemeine Bauunterhaltung und bezog ein anderes Dienstzimmer (einen Stock tiefer). Von nun an kam es auch seitens des Klägers zur Erteilung von Aufträgen an die A GmbH, im Jahr 2000 über eine Auftragssumme von DM 5.000,00.

Am 28. November 2001 wurde das Dienstzimmer des Klägers in den Räumen der Beklagten im Rahmen der laufenden Ermittlungen durchsucht. Mit Schreiben vom 30. November 2001 bat die Beklagte die Staatsanwaltschaft um Mitteilung, ob Einwendungen gegen eine arbeitsrechtliche Anhörung des Klägers zu dem Verdacht auf Bestechlichkeit bestehen. Unter dem 07. Dezember 2001 teilte die Staatsanwaltschaft der Beklagten mit, dass bis zu einer Vernehmung des Klägers, die für Januar/Februar 2002 bea...

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