Entscheidungsstichwort (Thema)

Beleidigung des Arbeitgebers. Verwertung von Tonaufzeichnungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Feststellung, dass eine Äußerung eine Beleidigung darstellt, erfordert eine umfassende Aufklärung aller Umstände, unter denen sie gefallen ist.

2. Zum Verwertungsverbot für Tonaufzeichnungen.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; StGB § 201 Abs. 1, §§ 185, 194; GG Art. 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 22.03.2001; Aktenzeichen 4 Ca 473/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts in Kassel vom 22. März 2001 – 4 Ca 473/00 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Die am 26. Juli 1970 geborene Klägerin, über deren Familienstand und Unterhaltspflichten die Parteien dem Gericht nichts mitgeteilt haben, war seit dem 16. März 1999 in dem von der Beklagten in H. betriebenen Backwaren-Shop zu einer Vergütung von monatlich DM 1.950,00 brutto als Verkäuferin tätig. Die Beklagte beschäftigte regelmäßig weniger als 5 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Ausbildung Beschäftigten. Die Beklagte hatte in dem Ladenlokal zur Überwachung des Kassenbereichs eine Video-Kamera installiert, die auch Töne aufzeichnete. Bei dem Ansehen und Anhören der Bandaufnahmen vom 30. und 31. August 2000 durch den Ehemann der Beklagten am 31. August 2000 vernahm dieser, dass die Klägerin zu einer Arbeitskollegin über ihn und die Beklagte u. a. äußerte:

„Der hat sie wohl nicht mehr alle”

„Dieser faule Sack”

„Arschlecken”

„Wenn sie meint, nicht ihren fetten Arsch zu bewegen”

„Faules Biest”

„So'n Dreck”

„Die A., so eine faule Sau”

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 02. September 2000, der Klägerin an demselben Tag zugegangen, außerordentlich fristlos, vorsorglich ordentlich mit der gesetzlichen Kündigungsfrist.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe nicht gewusst, dass die Video-Kamera, die eine Arbeitskollegin nur zufällig entdeckt und über deren Vorhandensein die Beklagte sie nicht unterrichtet habe, auch Töne aufnehme. Sie hat die Kündigung allein schon deshalb, weil ihre Äußerungen nicht verwertet werden dürften, zumal sich die Beklagte durch deren Aufnahme strafbar gemacht habe, für unwirksam gehalten, und zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 02. September 2000 zum 02. September 2000 nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30. September 2000 fortbestanden hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, die Klägerin habe ihrem Ehemann gegenüber die Äußerungen am 01. September 2000 eingeräumt. Sie habe gewusst, dass die Videoanlage vorhanden sei und Bild- und Tonaufzeichnungen fertige. Die Beklagte hat gemeint, die beleidigenden Bemerkungen der Klägerin würde eine fristlose, jedenfalls aber eine ordentliche Kündigung zum 30. September 2000 rechtfertigen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2001 vor dem Arbeitsgericht hat die Beklagte in einem Schriftsatz, mit dem sie von einem gerichtlichen Vergleich zurückgetreten ist, weiteren Sachvortrag gehalten. Bl. 27 u. 28 d.A.

Das Arbeitsgericht in Kassel hat mit einem am 22. März 2001 verkündeten, der Beklagten am 20. April 2001 zugestellten Urteil – 4 Ca 473/00 (Bl. 32 – 38 d.A.) – der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 17. Mai 2001 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Verwertung der Äußerungen der Klägerin, die mangels Bestreiten durch diese als zugestanden anzusehen seien, stünde deren Persönlichkeitsrecht nicht entgegen. Es handele sich um grobe Beleidigungen, die ihr die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist aus General- und Spezialpräventionsgesichtspunkten unzumutbar gemacht hätten. Das Arbeitsgericht habe über ihre Behauptung, dass der Klägerin die Herstellung auch von Tonaufnahmen durch die Video-Kamera bekannt gewesen sei, Beweis erheben müssen, zumal auch das Arbeitsgericht diese Frage, wie aus der vorsorglichen Ladung von Zeugen hervorgehe, zunächst offensichtlich als entscheidungserheblich angesehen habe. Es komme darauf an, ob die Klägerin gewusst habe, dass ihre Äußerungen aufgenommen würden. Der konkrete Arbeitsplatz spiele keine Rolle. Im Übrigen komme es auf die Frage der Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung, da es um ein Beweisverwertungsverbot gehe, angesichts dessen, dass die schwerwiegenden beleidigenden Äußerungen der Klägerin unstreitig seien, nicht an (Bl. 42 – 46, 67 u. 68 d.A.).

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Kassel vom 15. Februar 2001 – 4 Ca 473/00 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin bittet darum, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, indem sie das angefochtene Urteil verteidigt (Bl. 51 – 53 d.A.).

Zu dem Inhalt des angefochtenen Urteils und der genannten Schriftstücke im Übrigen und ...

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