Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Bildung einer Einigungsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

Ein die Bildung einer Einigungsstelle anstrebender Betriebspartner erfüllt die innerbetrieblichen Verhandlungs- und Beratungspflichten, wenn er einen ernsthaften Verhandlungsversuch unternommen hat und dieser gescheitert ist.

Vertreten die Betriebsparteien vor oder im Einigungsstellenbestellungsverfahren miteinander unvereinbare Standpunkte und sind sie nicht bereit, von diesen abzurücken, bedarf es keiner weiteren innerbetrieblichen Verhandlungen. Dies gilt auch dann, wenn die konträren Standpunkte nicht die Sache, sondern die weitere Verfahrensweise betreffen.

 

Normenkette

BetrVG §§ 74, 76; ArbGG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Entscheidung vom 01.08.2014; Aktenzeichen 3 BV 28/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2.) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 01. August 2014 - 3 BV 28/14 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen zum Teil abgeändert:

Die Zahl der Beisitzer beträgt zwei pro Seite.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie. Sie beschäftigt in ihrem Betrieb in A etwa 830 Arbeitnehmer, die von dem zu 2) beteiligten Betriebsrat repräsentiert werden. Die Arbeitszeit der Belegschaft wurde von den Beteiligten in der Betriebsvereinbarung Schichtarbeit vom 06. November 2007 geregelt, die zum 31. März 2013 außer Kraft getreten ist und nicht nachwirkt. Seitdem strebt die Arbeitgeberin eine Neuregelung der Komplexe "Schichtarbeit" und "flexible Arbeitszeit" an.

Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten legte die Arbeitgeberin Anfang 2014 ein "Maßnahmepaket" vor, das unter anderem eine Neuregelung der Arbeitszeitthematiken sowie einen Personalabbau von etwa 350 Arbeitnehmern umfasst. Nach mehreren Gesprächsterminen im ersten Halbjahr 2014 vereinbarten die Beteiligten, dass die Arbeitgeberin am 04. Juni 2014 dem Betriebsrat Betriebsvereinbarungsentwürfe zu den Themen Schichtarbeit und flexible Arbeitszeit vorlegen solle und dass die Beteiligten am 12. Juni 2014 über die Themen verhandeln sollten. Da sich die Vorlage der Betriebsvereinbarungsentwürfe bis zum 12. Juni 2014 verzögerte und da an diesem Tag die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrates urlaubsbedingt sowie der den Betriebsrat langjährig betreuende Geschäftsführer der IG Metall B krankheitsbedingt verhindert waren, während sich die Arbeitgeberin unter anderem durch zwei Juristen vertreten ließ, ließ sich der Betriebsrat am 12. Juni 2014 auf Verhandlungen mit der Arbeitgeberin nicht ein.

In dem folgenden Termin vom 23. Juni 2014 erklärte der Betriebsrat, er sei zu Verhandlungen über die Betriebsvereinbarungsentwürfe nur bereit, wenn gleichzeitig die Maßnahmen zur Standortsicherung in die Verhandlungen einbezogen würden. Mit Schreiben vom 24. Juni 2014 erklärte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats unter anderem Folgendes:

"Der Unterzeichner hat zu Beginn des gemeinsamen Termins noch einmal hervorgehoben, dass die Betriebsräte natürlich bereit und willens sind, über die vorgelegten Betriebsvereinbarungsentwürfe der Arbeitgeberseite mit dem Ziel der Einigung zu verhandeln. Voraussetzung dies zu können ist jedoch, dass zunächst ein entsprechender Informationsaustausch innerhalb des Betriebsrates bzw. der Betriebsräte mit den externen Beratern erfolgen kann. Dies war bisher noch nicht möglich.

...

Vor diesem Hintergrund wird es nachvollziehbar sein, dass es nicht möglich war, die von ihrer Seite am 12. Juni 2014 ... überreichten Betriebsvereinbarungsvorschläge zu verhandeln.

...

Vor diesem Hintergrund hat zum einen der Unterzeichner den Vorschlag unterbreitet, Verhandlungstermine zu vereinbaren und zum anderen wurde der Vorschlag gemacht, eine Mediation den möglicherweise zu führenden Einigungsstellenverhandlungen vorzuschalten. Diese Mediation soll aus Sicht der Arbeitnehmerseite auch dazu dienen, mit Hilfe eines Dritten als Vermittler das Maßnahmepaket 2014 zu besprechen."

Die Arbeitgeberin erklärte darauf die Verhandlungen für gescheitert und strebt im vorliegenden Verfahren die Bildung einer Einigungsstelle zu den Themen "Schichtarbeit" und "flexible Arbeitszeit" an. In der Antragserwiderung erklärte der Betriebsrat unter anderem Folgendes:

"Trotz der rechtswidrigen Überrumplungsversuche der Beteiligten zu 1) ist der Beteiligte zu 2) auch bereit, sich auf die Einrichtung von 3 Einigungsstellen zu den Themenkomplexen

- "flexible Arbeitszeit"

- "Schichtarbeit"

- "Verteilung der tariflichen Leistungszulage"

unter dem Vorsitz von Herrn C und jeweils 5 Beisitzern zu einigen. Voraussetzung für den Abschluss eines derartigen Vergleichs ist jedoch, dass in einem gerichtlichen Vergleich ferner festgehalten wird:

"Parallel zu den Einigungsstellenverfahren zu den Themenkomplexen

- "flexible Arbeitszeit"

- "Schichtarbeit"

- "Verteilung der tariflichen Leistungszulage"

wird bis zum Abschluss der jeweiligen Einigungsstellenverfa...

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