Die Diskussion um die normale Körperhaltung ist gemeinhin geprägt von einer orthopädisch-mechanischen Sichtweise. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigte sich Staffel[1] mit verschiedenen Varianten der Wirbelsäulenform und fasste sie in Gruppen von Haltungstypen zusammen. Neben der normalen Rückenform differenzierte er die Formen des Rundrückens, des Hohlrundrückens und des Flachrückens (Abb. 1). Dabei zeigt die normale Rückenform eine harmonische und physiologisch gekrümmte Wirbelsäule und besitzt gegenüber den anderen Rückenformen eine bessere Widerstandsfähigkeit und Gesamtbelastbarkeit. Noch heute wird in Anlehnung an die Haltungstypen nach Staffel die Körperhaltung als Ergebnis einer statischen Momentaufnahme beurteilt.

Abb. 1: Die verschiedenen Rückenformen[2]

Im Rahmen einer Haltungsanalyse wird versucht, sich ein umfassendes Bild über die Körperhaltung bzw. die Statik einer Person zu verschaffen, um eventuelle Auffälligkeiten bzw. Abweichungen gegenüber einer normalen Haltung zu erkennen. Hierzu wird die Haltung einer Person per Sichtbefund analysiert (Haltungsinspektion). Diese Inspektion der Haltung beinhaltet die gezielte und systematische Beobachtung einer Person anhand fest definierter Kriterien. Die Begutachtung erfolgt dabei im Stand aus verschiedenen Perspektiven bzw. in verschiedenen anatomischen Raumebenen. Folgende Betrachtungsebenen werden hierbei genutzt:[3]

  • Frontalebene: Sie teilt den Körper in einen vorderen und hinteren Bereich.
  • Sagittalebene: Sie teilt den Körper in eine linke und eine rechte Hälfte.
[1] Staffel: Die menschlichen Haltungstypen und ihre Beziehungen zu den Rückgratverkrümmungen,. Bergmann, Wiesbaden 1889.
[2] Modifiziert nach Staffel: Die menschlichen Haltungstypen und ihre Beziehungen zu den Rückgratverkrümmungen,. Bergmann, Wiesbaden 1889.
[3] Froböse/Nellessen/Wilke: Training in der Therapie. Grundlagen und Praxis, 2., überarbeitete Aufl., Urban & Fischer, München 2003.

4.1 Haltungsinspektion in der Frontalebene

Zunächst betrachtet der Tester die Haltung der Person in der Frontalebene von vorne und von hinten. Als zentrale Beobachtungsmerkmale gelten dabei:

  • Kopfhaltung:

    Die Kopfhaltung kann auf eine Schiefstellung hin beurteilt werden. Dabei wird auf eine Seitneigung des Kopfes nach links oder rechts geachtet. Im Weiteren ist auch auf eine Kopfrotation zur einen oder anderen Seite zu achten.

  • Schulter-/Nackensymmetrie:

    Hier ist zu begutachten inwieweit sich die Schultern auf der gleichen, horizontalen Ebene befinden. Nicht selten ist hier eine einseitig hochgezogene Schulter festzustellen, die beispielsweise von entsprechend chronischen Muskelverspannungen begleitet werden kann.

  • Beckenstellung:

    Die Beckenstellung kann in Bezug auf die horizontale Ausrichtung deutliche Abweichungen aufweisen. Entsprechend wird hier begutachtet, ob sich die Beckenkämme auf gleicher Ebene befinden oder eine hochgezogene Seite spezifiziert werden kann.

  • Beinachsensymmetrie:

    Die Beurteilung der Beinachsensymmetrie bezieht sich auf die Ausrichtung der Ober- und Unterschenkel. Sind die Beine eher gerade, oder handelt es sich um X- bzw. O-Beine?

  • Fußstellung:

    Die Fußstellung kann in Bezug auf ihre Rotationskomponente beurteilt werden. Ist der Fuß sehr stark ein- oder ausgedreht?

Abb. 2: Haltungsinspektion in der Frontalebene – Betrachtung von ventral[1]

[1] Modifiziert nach Froböse/Nellessen/Wilke: Training in der Therapie. Grundlagen und Praxis, 2., überarbeitete Aufl., Urban & Fischer, München 2003, S. 249.

4.2 Haltungsinspektion in der Sagittalebene

Anschließend erfolgt eine Betrachtung der Haltung in der Sagittalebene (von der Seite). Eine normale Körperhaltung orientiert sich dabei an der Ausrichtung des Körpers an der sog. Lotlinie. Von der Seite betrachtet teilt die Lotlinie den Körper in eine hintere und eine vordere Hälfte. Sie verläuft von oben nach unten, beginnend vom äußeren Gehörgang über die Mitte des Schultergelenks, durch die Mitte des Hüftgelenks, die Mitte des Knies bis hin zur vorderen Fußwölbung. Aus verschiedensten Gründen kann jedoch das statische System aus dieser optimalen Ausrichtung an der Schwerkraftlinie, die den Stand bei minimaler Muskelspannung ermöglicht, herauskippen.[1] Im Sinne einer Kettenreaktion haben Veränderungen an einem Teilsystem immer auch Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Das bedeutet, dass jede Abweichung von dieser Linie mit reflektorisch kompensierenden Muskelaktivitäten einhergeht. Zu häufigen Abweichungen zählen hier beispielsweise die Hohlkreuzhaltung und die schlaffe Haltung. Im Rahmen der Haltungsinspektion in der Sagittalebene geht es daher darum, diesbezügliche Auffälligkeiten zu erkennen und zu spezifizieren.

Auf folgende Beobachtungsmerkmale sollte bei der Haltungsinspektion in der Sagittalebene geachtet werden:[2]

  • Kopfstellung:

    Hier kann eine eventuelle Vorneigung des Kopfes überprüft werden bzw. begutachtet werden, ob das Kinn herangezogen oder nach vorne geschoben ist.

  • Schulter/Nackensymmetrie:

    Hier kann begutachtet werden, inwieweit sich die Schultern in Mittelstellung befinden oder ob sie leicht nach vorne gezogen sind.

  • Krümm...

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