Will das Finanzamt vom Arbeitgeber für abgelaufene Kalenderjahre zu wenig einbehaltene Lohnsteuer nachfordern, ist eine Inanspruchnahme aufgrund des Vergleichs der Jahreslohnsteuer zu prüfen, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Kalenderjahres beim Arbeitgeber beschäftigt war. Die Lohnsteuer kann nur insoweit nachgefordert werden, als sich unter Berücksichtigung der individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen und der Vorschriften über den Lohnsteuer-Jahresausgleich – soweit er vom Arbeitgeber durchzuführen ist – ein Mehrbetrag ergibt. Die ggf. im Rahmen einer vom Finanzamt durchgeführten Antragsveranlagung geltend gemachten Antragsgründe und ihre Auswirkungen brauchen nicht berücksichtigt zu werden. Auch auf Ermäßigungsgründe, die der Arbeitnehmer in der Einkommensteuerveranlagung nicht geltend gemacht hat oder wegen Fristablaufs bei einer Antragsveranlagung nicht mehr geltend machen kann, kann der Arbeitgeber sich im Haftungsverfahren nicht berufen.[1]

3.4.1 Nachträgliche Berücksichtigung von Werbungskosten nur in Ausnahmefällen

Irrten Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Zugehörigkeit von Bezügen zum Arbeitslohn und damit auch über die Notwendigkeit der Beantragung und Berücksichtigung der mit diesen Bezügen zusammenhängenden Werbungskosten als individuelle Lohnsteuerabzugsmerkmale beim Lohnsteuerabzug – mit der Folge eines geringeren Lohnsteuerabzugs –, können insoweit bei der Ermittlung des für den angesetzten Arbeitslohn nachzufordernden Lohnsteuerbetrags angefallene Werbungskosten nachträglich berücksichtigt werden.[1] Das gilt z. B., wenn der Arbeitgeber für die Benutzung des privaten Pkw anlässlich von beruflich veranlassten Auswärtstätigkeiten eine Pauschale steuerfrei zahlt und die Aufwendungen des Arbeitnehmers nicht im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zur Einkommensteuer berücksichtigt worden sind.[2] Der Irrtum des Arbeitgebers darf aber nicht auf einer groben und für ihn offensichtlichen Verletzung steuerlicher Pflichten beruhen.

Ein solcher Irrtum ist deshalb nicht anzuerkennen, wenn der Arbeitgeber z. B. bei einer früheren Lohnsteuer-Außenprüfung auf die Lohnsteuerpflicht bestimmter Zuwendungen hingewiesen wurde.[3] Ausnahmsweise kann aber von einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers abgesehen werden, wenn es sich um einen oder wenige kurzfristig beschäftigte und geringfügig entlohnte Arbeitnehmer handelt, für die

  • keine ELStAM abgerufen wurden oder
  • eine ggf. anstelle der ELStAM vom Finanzamt auszustellende Papierbescheinigung nicht vorgelegen hat,

und damit gerechnet werden kann, dass ihre Einkünfte keinen materiellen Steueranspruch ausgelöst haben. Voraussetzung ist, dass die Namen der Arbeitnehmer und ihre Anschriften bekannt sind und sich das Verhalten des Arbeitgebers nicht als grob fahrlässig darstellt.[4]

3.4.2 Individuelle Ermittlung der Lohnsteuer für jeden Arbeitnehmer

Die vom Arbeitgeber haftungsweise nachzufordernde Lohnsteuer muss das Finanzamt grundsätzlich für jeden einzelnen Arbeitnehmer individuell ermitteln. Dabei ist die Lohnsteuertabelle des Jahres anzuwenden, in dem der bisher unversteuerte oder zu niedrig besteuerte Arbeitslohn zugeflossen ist.

Die individuelle Ermittlung der nachzufordernden Lohnsteuer ist auch dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber in einer Vielzahl von Fällen die Lohnsteuer nicht zutreffend einbehalten hat. Die Berechnung der Lohnsteuer-Haftungsschuld mit einem durchschnittlichen Steuersatz ist nicht bereits deshalb zulässig, weil die individuelle Ermittlung der Lohnsteuer für das Finanzamt zeitaufwendig ist.

3.4.3 Voraussetzungen der Berechnung der Haftungsschuld mit einem durchschnittlichen Steuersatz

Einen durchschnittlichen Steuersatz aufgrund einer Schätzung kann der Außenprüfer nur dann anwenden, wenn entweder die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorliegen oder der Arbeitgeber mit der Steuerberechnung nach einem durchschnittlichen Steuersatz einverstanden ist.

Ohne Einverständnis des Arbeitgebers sind die Voraussetzungen für eine Schätzung der Lohnsteuer-Haftungsschuld nur dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber seinen Aufzeichnungspflichten beim Lohnsteuerabzug nicht nachgekommen ist oder er sich geweigert hat, seine Aufzeichnungen vorzulegen, und das Finanzamt deshalb nicht feststellen kann, in welcher Höhe den einzelnen Arbeitnehmern der nachzuversteuernde Arbeitslohn zuzurechnen ist.[1]

Im Übrigen muss ein Durchschnittssteuersatz stets nach dem durchschnittlichen Bruttosteuersatz für das in Betracht kommende Zuflussjahr ermittelt werden. Eine Anwendung des höheren Nettosteuersatzes ist selbst dann nicht zulässig, wenn der Arbeitgeber die nachgezahlten Steuern von den Arbeitnehmern nicht zurückverlangt oder nicht zurückverlangen kann.[2]

3.4.4 Steuerpflichtiger geldwerter Vorteil bei Forderungsverzicht

Verzichtet ...

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