5.1 Anrechnungsverfahren statt Freistellungsverfahren

Eine Sonderstellung nimmt die mit der Schweiz getroffene Grenzgängerregelung ein. Deutliche Unterschiede gegenüber den bereits dargestellten Abkommen bestehen hinsichtlich der Definition der Grenzgängereigenschaft. Dasselbe trifft auf das von der Schweiz und Deutschland gewählte System zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Grenzgängern zu. Das Freistellungsverfahren ist hier durch ein modifiziertes Anrechnungsverfahren ersetzt.

Die Grenzgängerregelung des DBA-Schweiz weist das Besteuerungsrecht für Lohneinkünfte nicht allein dem Wohnsitzstaat zu. Der Tätigkeitsstaat kann daneben eine Abzugsteuer von 4,5 % erheben. Demzufolge sind Grenzgänger aus der Schweiz nicht vom Lohnsteuerabzug durch den deutschen Arbeitgeber befreit. Ebenso wird von den deutschen Grenzgängern von ihrem Arbeitgeber in der Schweiz eine 4,5-%-Abzugsteuer vom Arbeitslohn einbehalten. Diese wird nach Ablauf des Kalenderjahres bei der Wohnsitzstaatbesteuerung im Rahmen der abschließenden Einkommensteuerveranlagung als Vorauszahlung auf die sich ergebende Einkommensteuer angerechnet.

Schweizerische Arbeitnehmer, die die Grenzgängereigenschaft erfüllen, unterliegen dem Lohnsteuerabzug beim inländischen Arbeitgeber. Abweichend von den ansonsten maßgeblichen lohnsteuerlichen Bestimmungen legen die zwischenstaatlichen Abmachungen hier ein eigenständiges Lohnsteuerabzugsverfahren fest, das zu einer ermäßigten Abzugsteuer führt. Die Lohnsteuer des schweizerischen Grenzgängers darf max. 4,5 % des im jeweiligen Monat bezogenen Arbeitsentgelts betragen. Bemessungsgrundlage für die ermäßigte Lohnsteuer ist der steuerpflichtige Bruttoarbeitslohn. Persönliche Abzüge, wie Werbungskosten, Sonderausgaben u. a. werden nicht berücksichtigt.[1]

Die Begrenzung des Lohnsteuerabzugs auf 4,5 % des steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohns gilt auch im Fall der pauschalen Lohnsteuer bei Aushilfs- und Teilzeitkräften. Für den Arbeitgeber ermäßigt sich dadurch die pauschale Lohnsteuer von 20 % bzw. 25 % auf 4,5 %.

5.2 Aufgabe der Grenzzone

Entscheidendes Merkmal für die Grenzgängereigenschaft ist die regelmäßige Rückkehr an den Wohnort im Wohnsitzstaat. Pendelt z. B. ein deutscher Grenzgänger arbeitstäglich an seinen in der Schweiz gelegenen Beschäftigungsort, fällt er unabhängig von der Entfernung seines Wohnorts in der Bundesrepublik Deutschland unter die Grenzgängerbesteuerung.

Arbeitstägliches Pendeln

Eine regelmäßige Rückkehr wird auch angenommen, wenn sich die Arbeitszeit über mehrere Tage erstreckt. So sind z. B. deutsche Arbeitnehmer, die im Schichtdienst in der Schweiz ihre Arbeit verrichten, nach Arbeitsende aber regelmäßig in ihre Wohnung im Inland zurückkehren, auch dann als Grenzgänger anzusehen, wenn Schichtbeginn und Schichtende auf verschiedene Kalendertage entfallen. Weitere Beispiele sind Arbeitnehmer, die im Hotel- oder Überwachungsgewerbe Nachtdienst verrichten, oder das Krankenhauspersonal mit Bereitschaftsdienst.[1]

Die Rechtsprechung hat diese Rechtsauslegung allerdings zwischenzeitlich davon abhängig gemacht, dass der Arbeitnehmer im Anschluss an seine kalendertagübergreifende aktive Tätigkeit tatsächlich in seine Wohnung am Ansässigkeitsstaat zurückkehrt. Ist der Arbeitnehmer dagegen nicht in den Wohnsitzstaat zurückgefahren, muss eine Anrechnung auf die 60-Tage-Grenze vorgenommen werden, wenn die Nichtrückkehr auf beruflichen Gründen beruhte.[2]

 
Wichtig

Wegfall der 30-km-Grenzzone

Die früher maßgebende 30-km-Grenzzone, in der jeweils Wohnsitz und Arbeitsort liegen mussten, ist entfallen.

Weiterhin unerlässlich ist es, dass der Arbeitnehmer in einem der beiden Staaten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Ansässigkeit ist durch eine amtliche Bescheinigung des für ihn zuständigen Wohnsitzfinanzamtes nachzuweisen. Ohne diesen formellen Nachweis finden – auch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – die Bestimmungen der Grenzgängerregelung keine Anwendung.

5.3 Nichtrückkehr zum Wohnsitz

Berufliche Nichtrückkehrtage

Die Grenzgängereigenschaft geht nicht dadurch verloren, dass der Arbeitnehmer an einzelnen Arbeitstagen an seinem Arbeitsort verbleibt. Das Abkommen sieht eine 60-Tage-Grenze vor. Danach ist es unschädlich, wenn der Arbeitnehmer an bis zu 60 Arbeitstagen im Jahr nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt. In die Berechnung sind nur solche Tage einzubeziehen, deren Nichtrückkehr auf berufliche Gründe zurückzuführen ist.[1]

Bei Rufbereitschaft kann eine durch die Arbeitsausübung bedingte Nichtrückkehr vorliegen, und zwar unabhängig davon, ob die Zeit der Rufbereitschaft arbeitsrechtlich oder steuerrechtlich als Arbeitszeit zu werten ist oder nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Ende der Arbeitszeit oder der Zeitpunkt der Ankunft am Wohnort auf den Tag des Arbeitsantritts oder auf einen nachfolgenden Tag fällt.[2]

Kehrt der Arbeitnehmer im Anschluss an eine normale Tagesschicht nicht an seinen Wohnsitz zurück, weil er eine Rufbereitschaft abzul...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge