[1] Im Fall der Abfindung einer unverfallbaren Anwartschaft auf Leistungen einer betrieblichen Altersversorgung (hier: Auszahlung der Deckungsrückstellung aus einer Direktversicherung in Form eines Einmalbetrags) geht nach dem BSG-Urteil vom 25.4.2012, B 12 KR 26/10 R, USK 2012-20, der Charakter einer Kapitalleistung als Versorgungsbezug nicht dadurch – nachträglich – verloren, wenn sie vor dem Eintritt des vertraglich vereinbarten Versicherungsfalls (hier: nach Vollendung des 60. Lebensjahres) ausgezahlt wird. Dem § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V sei nicht zu entnehmen, dass die Beitragspflicht von Kapitalleistungen den Eintritt des vertraglich vereinbarten Versicherungsfalls voraussetze. Vielmehr komme es dafür auf den Versorgungszweck bei Vereinbarung bzw. Zusage an. Nicht maßgebend ist, ob das vorzeitig ausgezahlte Kapital möglicherweise nicht mehr einem Versorgungszweck dient, sondern zur Deckung eines anderen Bedarfs verwendet wird.

[2] Mit Urteil vom 25.8.2004, B 12 KR 30/03 R, USK 2004-29, hatte das BSG bereits entschieden, dass eine an den Arbeitnehmer im laufenden Beschäftigungsverhältnis gezahlte Abfindung erworbener Versorgungsanwartschaften aus einer Unterstützungskasse, deren Träger der Arbeitgeber ist, kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 Abs. 1 SGB IV darstellt. Vielmehr sei bei einer derartigen Abfindungsleistung bezüglich der Kranken- und Pflegeversicherung der Anwendungsbereich des § 229 SGB V eröffnet; daneben komme § 14 SGB IV von vornherein nicht als einschlägig in Betracht.

[3] Unter Hinweis auf diese beiden BSG-Urteile hat das LSG Baden-Württemberg am 24.3.2015, L 11 R 1130/14 entschieden, dass es sich bei der Abfindung einer betrieblichen Altersversorgung (hier: Rückkaufswert einer Direktversicherung) auch während eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nicht um Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 SGB IV, sondern ausschließlich um einen Versorgungsbezug nach § 229 SGB V in Form einer Kapitalleistung handelt.

[4] In den Urteilen vom 29.7.2015, B 12 KR 4/14 R, USK 2015-56, und B 12 KR 18/14 R, USK 2015-64, hat das BSG für einen abweichenden Sachverhalt (Übergangszahlungen, A.1.1.6.5) in Übereinstimmung mit der vorgenannten Rechtsprechung wiederholt deutlich gemacht, dass für die beitragsrechtliche Kategorisierung im Kontext zu § 229 SGB V die objektive Zwecksetzung der Leistung maßgebend ist.

[5] Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung vertreten die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung die Auffassung, dass vor Eintritt des Versorgungsfalles gezahlte Abfindungen von gesetzlich oder vertraglich unverfallbaren oder verfallbaren Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung, einschließlich der Auszahlung von Rückkaufswerten, und zwar sowohl nach beendetem als auch bei bestehendem Beschäftigungsverhältnis, kein Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV darstellen, sondern dem Anwendungsbereich des § 229 SGB V (Versorgungsbezüge) zuzuordnen sind (Niederschrift über die Besprechung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 20.4.2016, TOP 4). Nach diesen Grundsätzen ist spätestens bei Abfindungen von Versorgungsanwartschaften zu verfahren, die nach dem 30.6.2016 ausgezahlt werden.

[6] Konkret handelt es sich dann, jedenfalls, wenn bereits erworbene Anwartschaften abgefunden werden, um Versorgungsbezüge in Form einer Kapitalabfindung i.S.d. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Satz 3 SGB V.

[7] In dem vorgenannten Besprechungsergebnis wird bereits klargestellt, dass die beitragsrechtliche Zuordnung zu den Versorgungsbezügen nicht von dem Alter der betreffenden Person zum Zeitpunkt der Auszahlung abhängt. Auf einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Auszahlung und Ausscheiden aus dem Erwerbsleben kommt es damit nicht (mehr) an.

[8] Die zuvor beschriebene beitragsrechtliche Bewertung der Abfindung gilt auch dann, wenn diese aus einer – rechtlich zulässigen – Teilkündigung der betrieblichen Altersversorgung resultiert.

[9] Wird eine "Versorgungsabfindung" gezahlt, obwohl noch gar keine Versorgungsanwartschaft bzw. Anspruch auf eine reguläre Versorgung erworben worden ist, wie z.B. nach § 23 Abs. 1 AbgG an ehemalige Mitglieder des Deutschen Bundestages, die dem Bundestag nicht für mindestens ein Jahr angehört haben, stellt die Abfindung keinen Versorgungsbezug dar.

[10] Kommt es im Zusammenhang mit der Auflösung einer Versorgungseinrichtung (z.B. bei Zusatzversorgungen im Bereich der berufsständischen Versorgungseinrichtungen) zu Abfindungszahlungen, weil aus der Versorgung keine Leistungsansprüche mehr realisiert werden können, kann es sich dabei um Kapitalabfindungen i.S.d. § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V handeln. Die die Abfindung gewährende Zahlstelle trifft dann die in den §§ 202, 256 SGB V festgelegten Melde- und Beitragsabführungspflichten gegenüber den Krankenkassen.

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