Rz. 4

Es muss sich um nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder um sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, handeln. Insofern fallen Vergütungen, die ein Unternehmer für die durch abhängig beschäftigte Arbeitnehmer erbrachten Leistungen erhält, nicht unter den Anwendungsbereich der Norm.

Die Norm ist anzuwenden bei Abfindung des Arbeitnehmers nach §§ 9, 10 KSchG, §§ 112, 113 BetrVG (LG Münster, VuR 2011, 430; LAG Köln, Urteil v. 30.7.2010, 11 Sa 909/09 – Juris; LG Köln, ZVI 2007, 20; AG Bad Oldesloe ZVI 2007, 470; BAG, NJW 1997, 1868; BAG, NZA 1992, 382; LAG Schleswig-Holstein, NZA-RR 2006, 371; BAG, NZA 1997, 563 = NJW 1997, 1868 = KTS 1997, 314; BFH, DZWIR 2010, 419 = ZVI 2010, 393 = BFH/NV 2010, 1856; Sächsisches FG, ZInsO 2010, 817; LG Bochum, ZInsO 2010, 1801 = ZVI 2010, 479 = VuR 2011, 24 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2010, 93; AG Langen, FamRZ 2003, 699; LG Mainz, JurBüro 2000, 157; Zöller/Herget, § 850i Rn 1; Musielak/Voit/Becker, § 850i Rn 4 a. A. LAG Niedersachsen, MDR 2004, 714; LG Essen, ZVI 2011, 379 = VuR 2011, 429 = "sonstige Einkünfte"; vgl. auch Rz. 16), auch wenn dies im Rahmen eines Vergleichs im Kündigungsschutzprozess vereinbart wird (LG Münster, InVo 2003, 161). Jedoch ist der nach der Überweisung der Abfindung auf das Konto des Schuldners entstandene Anspruch gegen die Bank als Drittschuldnerin kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung im Sinne des § 850i ZPO, sondern ein anderer Anspruch (vgl. auch BGH, BGHZ 160, 112 = WM 2004, 1928 = Rpfleger 2004, 711 = NJW 2004, 3714 = JurBüro 2004, 671 = MDR 2005, 48 = KKZ 2005, 104). Durch die Überweisung hat der Schuldner den Vollstreckungsschutz somit nach § 850i ZPO verloren (LG Nürnberg-Fürth, ZInsO 2009, 2352 m. w. N.). Ebenso anzuwenden ist die Norm bei Sozialplanabfindungen (BAG, Rpfleger 1992, 442; AG Hanau, 24.3.1997, 40 M 10703/96 – Juris), bei einem Anspruch eines Außendienstmitarbeiters auf Auszahlung eines – kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verdienten und in einer Summe fälligen – Stornoreserveguthabens (LAG Hamm, KKZ 1993, 241), bei unregelmäßigen Provisionseinnahmen (AG Michelstadt, JurBüro 2002, 549), bei Kapitalentschädigungsansprüchen gem. § 17 StrRehaG (OVG Thüringen, Urteil v. 19.8.2014, 2 KO 400/14 – Juris), bei laufend vom Umsatz abhängigen Lizenzgebühren als Entgelt für die Nutzung eines vom Schuldner persönlich entwickelten "Produkts" (BGH, InVo 2004, 377 = KKZ 2005, 102 = MDR 2004, 713 = Rpfleger 2004, 361 = FamRZ 2004, 790 = ZVI 2004, 243 = NJW-RR 2004, 644 = BGHReport 2004, 630 = WM 2004, 596), beim Anspruch eines Wehrpflichtigen bzw. Zivildienstleistenden zustehenden Entlassungsgelds (AG Bad Oeynhausen, ZVI 2003, 229; AG Ludwigslust, ZVI 2003, 139; LG Rostock, Rpfleger 2001, 439; OLG Dresden, Rpfleger 1999, 283; LG Detmold, Rpfleger 1997, 448). Ein auf den Anspruch des Schuldners "auf Zahlung des gesamten Arbeitseinkommens" gerichteter Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erfasst auch einen Anspruch auf Zahlung eines in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen Einkommensausgleichs. Soweit dieser Ausgleich als Einmalzahlung erfolgt, bestimmt sich seine Pfändbarkeit nach § 850i ZPO (LAG Hessen, DB 1988, 1456). Entgegen der alten Fassung von § 850i ZPO gilt auch Pfändungsschutz bei einer Vergütung für Dienste, die ein vollbeschäftigter Schuldner in seiner Freizeit erbringt (BGH, ZInsO 2014, 1488 = WM 2014, 1432 = DB 2014, 1676 = ZIP 2014, 1598 = MDR 2014, 1111 = NZI 2014, 773 = DGVZ 2014, 217 = NJW-RR 2014, 1198 = JurBüro 2014, 547).

 

Rz. 5

Die Regelung hat auch im Rahmen der Pfändung von Guthaben bei einem Pfändungsschutzkonto (P-Konto) Gültigkeit (vgl. § 850k Abs. 4 ZPO).

 

Rz. 5a

Sie findet auch im Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren Anwendung (§§ 36 Abs. 1 Satz 2, 292 Abs. 1 InsO). Dies gilt insbesondere für Einkünfte, die ein selbstständig tätiger Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt. Diese gehören in vollem Umfang, ohne einen Abzug für beruflich bedingte Ausgaben zur Insolvenzmasse, sodass der Schuldner ggf. einen Antrag gem. § 850i ZPO stellen muss (BGH, ZInsO 2011, 1412 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2011, 67 = Vollstreckung effektiv 2011, 201).

Allerdings greift der Pfändungsschutz nicht stets in vollem Umfang (BGH, Rpfleger 2017, 70 = DGVZ 2017, 204 = ZVI 2017, 431 = KKZ 2018, 206 = Vollstreckung effektiv 2017, 131). Zwar spielen in der Gesamtvollstreckung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten (§ 850i Abs. 1 Satz 2 ZPO) grundsätzlich keine Rolle, weil in der Insolvenz sämtliche Vermögensgegenstände (sofern nicht unpfändbar, § 36 Abs. 1 InsO) in die Masse fallen und deswegen zugunsten der Gläubiger verwertet werden. Auch ist § 850i Abs. 1 Satz 3 ZPO im Gesamtvollstreckungsverfahren nicht unmittelbar anwendbar, weil durch diese Regelung sichergestellt werden soll, dass die individuellen Belange des vollstreckenden Gläubiger...

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