Rz. 27

Abs. 2 erweitert den Zugriff des Gläubigers auf das Arbeitseinkommen des Schuldners, wenn er wg. eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vollstreckt. Der Gesetzgeber will dem Gläubiger eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung eine Vorzugsstellung bei der Zwangsvollstreckung in das Arbeitseinkommen des Schuldners einräumen. Maßgeblich ist die gesetzgeberische Wertung, die den Gläubiger umfassend schützen will. Die Pflicht des Schuldners, entstandenen Schaden wieder gut zu machen, besteht nicht nur hinsichtlich des Schadenersatzanspruchs selbst, sondern auch bezüglich der Folgeschäden wie Kostenerstattungsansprüche für die Durchsetzung und Verzugszinsen für verspätete Zahlung, die eng mit der schädigenden Handlung zusammenhängen. Sie stammen ebenfalls "aus" einer unerlaubten Handlung, sind also Bestandteil des Hauptanspruchs aus unerlaubter Handlung, auch wenn die Anspruchsgrundlage aus Verzug oder prozessualer bzw. materieller Kostenerstattung folgt (BGH, Vollstreckung effektiv 2012, 60 = WM 2012, 138 = MDR 2012, 76 = VersR 2012, 195 = NJW 2012, 601; LG Karlsruhe, Vollstreckung effektiv 2018, 190; LG Stuttgart, InVo 2005, 157; a. A. LG Ellwangen, InVo 2004, 162). Gleiches gilt für Ansprüche auf Erstattung von Prozesskosten und Kosten der Zwangsvollstreckung (BGH, Vollstreckung effektiv 2011, 101 = FamRZ 2011, 970 = FoVo 2011, 134 = NJW 2011, 3106 = JurBüro 2011, 435 = Rpfleger 2011, 448 = NJW-RR 2011, 791 = MDR 2011, 690 = WM 2011, 944; LG Stuttgart, 13.7.2004, 10 T 215/04, Rpfleger 2005, 38; KG Berlin, 29.10.1971, 1 W 12691/71, Rpfleger 1972, 66; LG Saarbrücken, 21.3.2006, 5 T 59/06, JurBüro 2006, 380; LG Ellwangen, 5.3.2003, 1 T 30/03, JurBüro 2003, 660 und LG Dortmund, 27. 10.1988, 9 T 695/88, Rpfleger 1989, 75; a. A. LG Koblenz, Vollstreckung effektiv 2010, 51; LG Hannover, Rpfleger 1982, 232).

 

Rz. 28

Anzuwenden ist die Norm auch bei Schadensersatzansprüchen des Dienstherrn gegen den Beamten wegen vorsätzlicher Dienstpflichtverletzung (VG Düsseldorf, Urteil v. 22.12.2011, 26 K 816/11 – Juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, NVwZ-RR 2011, 989).

 

Rz. 29

Im Gegensatz zu der BGH-Entscheidung vom 9.9.2009 (Vollstreckung effektiv 2009, 169 = FamRZ 2009, 1483 = MDR 2009, 1190 = FPR 2009, 477 = NJW-RR 2009, 1441 = JurBüro 2009, 549 = AGS 2009, 559 = FoVo 2009, 202 = NJW-Spezial 2009, 725 = FamRB 2009, 372 = ZFE 2010, 2 = FamFR 2009, 20 = Rpfleger 2009, 629), durch die dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch eines Unterhaltsgläubigers gegen den Unterhaltsschuldner aus einem Unterhaltsprozess das Vollstreckungsprivileg nach § 850d ZPO versagt wurde (vgl. auch § 850d ZPO Rz. 17), wendet der BGH die dortigen Grundsätze bei einem Deliktsanspruch gerade nicht an (a. A. LG Koblenz, Vollstreckung effektiv 2010, 51). Denn der Schutzzweck des § 850f Abs. 2 ZPO besteht in dem vom besonderen Unrechtsgehalt der Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung getragenen Ausgleichsinteresse. Hinter der durch § 850f Abs. 2 ZPO nach dem Ermessen des Vollstreckungsgerichts ermöglichten Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen steht das gesetzgeberische Anliegen, dass der Schuldner für vorsätzlich begangene unerlaubte Handlungen bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit einzustehen hat. Der Schuldner soll somit den gesamten entstandenen Schaden mit der erforderlichen Anstrengung ersetzen. Hinter der durch § 850d Abs. 1 ZPO für gesetzliche Unterhaltsansprüche angeordneten Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen steht jedoch das gesetzgeberische Anliegen, den Gläubiger, der seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten kann, nicht auf die staatliche Sozialfürsorge zu verweisen. Stattdessen soll er privilegiert Zugriff auf das Arbeitseinkommen des ihm gegenüber unterhaltspflichtigen Schuldners nehmen dürfen.

 

Rz. 30

Die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO können i. R.d. Verfallsvollstreckung auch dann analog § 850f Abs. 2 unterschritten werden, wenn gg. den Verurteilten kein Anspruch aus unerlaubter Handlung besteht (LG Stade, 24.6.2003, 12 KLs 141 Js 5145/94 – Juris – und LG Stade, JurBüro 2004, 215). Die Regelung ist gem. §§ 459g Abs. 2, 459 StPO, 6 Abs. 2 JBeitrO und 54 Abs. 4 SGB I auf die Pfändung von Renten im Wege der Verfallsvollstreckung entspr. anzuwenden. Zuständig für eine entspr. Bestimmung im Rahmen des Verfallsvollstreckung ist gem. §§ 459g, 459 StPO die StA als Vollstreckungsbehörde. Die Befugnis zum Erlass von Pfändungsbeschlüssen gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 JBeitrO umfasst auch die Befugnis zur Entscheidung nach § 850f Abs. 2 ZPO (vgl. für den Fall der Vollstreckung durch eine Finanzbehörde: BFH, NJW 1997, 1725). Der Schuldner soll in diesen Fällen bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit auch mit den Teilen seines Arbeitseinkommens einstehen, die ihm sonst nach der Vorschrift des § 850c ZPO zu belassen wären (BGH, NJW 2005, 1663 = Vollstreckung effektiv 2005, 97 = ZInsO 2005, 538 = FamRZ 2005, 974 = Rpfleger 2005, 370 = ZVI 2005, 253 = WM 2005, 1326 = VuR 2005, 225 ...

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