1 Normzweck

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist Grundlage für die konkrete Berechnung des pfändbaren Betrages nach § 850c ZPO und § 850d ZPO. Aus dieser Vorschrift ergibt sich beispielhaft, wie der Gesetzgeber die Schuldner- und Gläubigerinteressen abwägen will (BGH, Vollstreckung effektiv 2014, 203 = WM 2014, 2094 = ZInsO 2014, 2223 = ZIP 2014, 2194 = NZI 2014, 957 = MDR 2014, 1413 = DB 2014, 2529; vgl. Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850e Rn. 1). Nach § 850e Nr. 2 und 2a ZPO sind demnach mehrere dem Pfändungsschutz des § 850c ZPO unterliegende Leistungen zur Bemessung eines gemeinsamen pfandfreien Betrages nach den Gesamtbezügen auf Antrag zusammenzurechnen. Entsprechend diesem Grundgedanken hat der Gesetzgeber auch in § 851c Abs. 3 ZPO die Zusammenrechnung von Rentenzahlungen aus privater Altersvorsorge, soweit sie unter den Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 ZPO nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden dürfen, mit anderen Zahlungen auf eine private und gesetzliche Rente oder anderen geschützten Leistungen angeordnet (BGH, Vollstreckung effektiv 2014, 203 = WM 2014, 2094 = ZInsO 2014, 2223 = ZIP 2014, 2194 = NZI 2014, 957 = MDR 2014, 1413 = DB 2014, 2529.

Der Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen bezweckt den Schuldnerschutz vor einer Kahlpfändung. Insoweit hat der Einsatz der Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts Vorrang vor der Inanspruchnahme sozialer Leistungen. Aus diesem Grunde wird dem Schuldner, in dessen Arbeitseinkommen vollstreckt wird, ein Teil pfandfrei belassen, der ihm und seiner Familie die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht und ihn in der Motivation stärkt, aus eigener Kraft seinen Lebensunterhalt zu verdienen (Zöller/Herget, § 850, Rn. 1 m. w. N.). Diesem Gesetzeszweck dient die Festlegung der unpfändbaren und bedingt pfändbare Bezüge in § 850a und b ZPO sowie die Festlegung der Pfändungsgrenzen in § 850c ZPO. Der Schutz des Arbeitseinkommens wird sodann in § 850d ZPO gelockert, jedoch nur für die Pfändung von Unterhaltsansprüchen. Insoweit dient auch § 850d ZPO dem Zweck, nicht nur dem Schuldner, sondern auch dessen Familie ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. In diesen Gesetzeszweck fügt sich dann auch § 850e ZPO ein, welcher die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens festlegt. Nr. 1 dient insoweit dem Schuldnerschutz, als dass sie die Berechnung des pfändbaren Einkommens beschränkt, indem sie die der Pfändung entzogenen Bezüge genauso aus ihm herauszurechnen lässt, wie die Beträge, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher und sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind (LAG Bremen, Urteil v. 15.11.2011, 4 Sa 41/11 – Juris; vgl. auch LG Rottweil, Beschluss v. 4.9.2018, 1 T 29/18 – Juris). Dem Schuldner ist daher ein Teil seines Arbeitseinkommens zu belassen, den er benötigt, um seinen sozialen Verpflichtungen nachzukommen und seine Existenzgrundlage zu sichern. Nrn. 2, 2a, 3 regeln die Addition mehrerer Geldeinkünfte bzw. Naturalleistungen desselben Schuldners; Nr. 4 klärt das Zusammentreffen eines erstpfändenden Unterhaltsgläubigers mit einem gewöhnlichen Gläubiger; ersterer kann wg. der laufenden Leistungen auf Antrag in den sog. Vorrechtsbereich verwiesen werden.

 

Rz. 2

Die Regelung hat auch im Rahmen der Pfändung von Guthaben bei einem Pfändungsschutzkonto (P-Konto) Gültigkeit (vgl. § 850k Abs. 4 ZPO), sowie im Insolvenzverfahren (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InsO).

2 Ermittlung des Nettoeinkommens (Nr. 1)

 

Rz. 3

Die pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens werden anhand des Nettolohnes ermittelt. Es ist danach nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts, den pfändbaren Betrag selbst zu bestimmen. Diese Aufgabe wird gemäß § 850c Abs. 3 Satz 2 ZPO durch Bezugnahme auf die Tabelle im Anhang zu § 850c und die ergänzende Anwendung des § 850e dem Drittschuldner übertragen. Durch eine solche sog. Blankettpfändung (vgl. auch § 850c Rz. 20 f.) soll das Vollstreckungsgericht von tatsächlichen Ermittlungen und Berechnungen auf der Grundlage der §§ 850c, 850e ZPO entlastet werden (vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte: Hülsmann, NJW 1995, 1522 f., m. w. N.). Damit stattdessen der Drittschuldner diese Aufgabe erfüllen kann, muss aber zumindest klar sein, nach welchen Bestimmungen der pfändbare Betrag zu ermitteln ist. Auf den Drittschuldner kann also nicht zusätzlich auch noch die Aufgabe übertragen werden, die für die Berechnung des pfändbaren Betrages anzuwendenden Regelungen und Maßstäbe erst selbst noch zu entwickeln, also etwa normkonkretisierend festzulegen, ob und ggf. in welcher Höhe Einkommensteuer sowie vom Schuldner geleistete Beiträge an eine private Krankenversicherung bei der Berechnung des pfändbaren Betrages des Einkommens abzugsfähig sind. Dies zu entscheiden ist originäre Aufgabe des Vollstreckungsgerichts bei Erlass des Vollstreckungsaktes selbst und kann nicht auf den Drittschuldner abgewälzt werden. Anderenfalls käme es zu dem mit dem Wesen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses als staatlicher Hoheitsakt nicht zu vereinbarenden Ergebnis, dass die Ermittlung des norm...

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