3.1 § 7 UVG verdrängt § 850d Abs. 2 ZPO

 

Rz. 19

Im Anwendungsbereich des § 7 UVG (Unterhaltsvorschussgesetz) werden die Vorschriften der § 850d Abs. 2 ZPO, § 1609 BGB zum Rangverhältnis der Unterhaltsansprüche durch die speziellere Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG verdrängt (vgl. auch Rz. 44 f.). Danach kann der Übergang eines Unterhaltsanspruchs nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden, soweit dieser für eine spätere Zeit, für die er keine Unterhaltsleistung nach dem UVG erhalten hat oder erhält, Unterhalt von dem Unterhaltspflichtigen verlangt. Ein Unterhaltsverlangen i. S. d. § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG setzt dabei einen Zugriff des unmittelbar Unterhaltsberechtigten auf das Vermögen des Schuldners voraus. Das ist anzunehmen:

  • wenn der Unterhaltsberechtigte den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung auf Befriedigung seiner Unterhaltsforderung in Anspruch nimmt und insoweit z. B. einen Vollstreckungsantrag stellt. Ist dies der Fall, muss das Vollstreckungsgericht den in § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG gesetzlich angeordneten Vorrang stets von Amts wegen beachten. Folge: Die Vollstreckung der Unterhaltskasse aus übergegangenem Recht muss entsprechend beschränkt oder ganz abgelehnt werden. Im Rahmen der Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses müssen demnach die vorrangigen Gläubiger durch Heraufsetzung des pfandfrei zu belassenden Betrags geschützt werden.
  • wenn der Unterhaltsberechtigte Unterhaltsansprüche gegenüber dem Schuldner gerichtlich oder außergerichtlich geltend macht und der Schuldner daraufhin Unterhaltsleistungen an ihn tatsächlich erbringt.
 

Rz. 20

Selbst wenn durch die Unterhaltsvorschusskasse als Gläubigerin im amtlichen Pfändungsformular gem. § 2 Nr. 1 ZVFV auf Seite 8 unten Angaben gemacht werden, es aber letztlich nicht feststeht, ob der unmittelbar Unterhaltsberechtigte Unterhalt gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG im dargestellten Sinne verlangt und ob der Schuldner Unterhaltszahlungen tatsächlich leistet, kann die Gläubigerin Ansprüche des Schuldners gegen Dritte auch wegen des zur Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem vorrangigen Unterhaltsberechtigten erforderlichen Betrags wegen der bestehenden rückständigen Unterhaltsforderungen zunächst pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Es ist dann durch das Vollstreckungsgericht zunächst kein erhöhter Pfändungsfreibetrag zugunsten des Schuldners festzusetzen. Es ist vielmehrSache des Schuldners oder der durch das Gesetz Begünstigten, solche Einwendungen vorzubringen, die die Pfändung beschränken oder unzulässig machen. Das gilt auch für den Einwand, die Zwangsvollstreckung benachteilige Unterhaltsberechtigte, die Unterhalt vom Schuldner i. S. d. § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG verlangten. Nur wenn solche, diesen Einwand begründenden Tatsachen dem Vollstreckungsgericht positiv bekannt sind, muss es sie von Amts wegen berücksichtigen. Zu weiteren Nachforschungen ist das Gericht nicht verpflichtet.

3.2 Unterhaltsvorschusskasse vollstreckt mittels Vollstreckungsbescheid

 

Rz. 21

Die Praxis der jeweiligen Bundesländer (Unterhaltsvorschusskassen) übergegangene Unterhaltsrückstände nach § 7 UVG mittels Vollstreckungsbescheid zu titulieren lassen und die Lohnpfändung nach § 850d Abs. 1 ZPO zu beantragen, hat der der BGH (BGH, Vollstreckung effektiv 2016, 116 = MDR 2016, 811 = FoVo 2016, 132 = NJW 2016, 1663) verneint (vgl. auch Rz 5a). Zum Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs muss der Gläubiger einen Titel vorlegen , aus dem sich – ggf. im Wege der Auslegung – ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt.

 

Rz. 22

Durch das "Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften" (BGBl. I 17 S. 3122) ist diese Rechtsprechung für die jeweiligen Bundesländer bei einer Vollstreckung nach § 7 UVG (nicht für Städte, Komunen und Geminden) seit dem 18.8.2017 obsolet geworden. Nach § 7 Abs. 5 UVG hat die Unterhaltsvorschusskasse, welche die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid betreibt, zum Nachweis des nach § 7 Abs. 1 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruchs dem Vollstreckungsantrag den Bescheid gem. § 9 Abs. 2 UVG beizufügen. Diese Gesetzesänderung ist ausweislich der Gesetzesmaterialien ausdrücklich als Reaktion auf die Rechtsprechung des BGH zu verstehen (BT-Drucks 18/12589 S. 157). Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er – abweichend von der grundsätzlichen Verteilung der Aufgaben zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren – dem Gläubiger im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit geben will, die Vollstreckungsprivilegierungen eines Unterhaltsanspruches nach § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO zu behaupten und nachzuweisen. Insofern nähert der Gesetzgeber die Zwangsvollstreckung dieser übergegangenen Ansprüche der Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Titel an, bei denen sich das Vollstreckungsorgan auf Angaben der an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung verlässt (LG Dresden, JAmt 2018, 155; LG Leipzig, NZFam 2018, 420; LG Hannov...

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