Rz. 193d

In den Fällen einer Pfändung nach § 54 Abs. 5 SGB I bzw. § 76 Satz 1 EStG kann der Anspruch des Leistungsberechtigten (Schuldner) auf das Kindergeld wegen seiner Zweckbestimmung ausnahmsweise nur durch das jeweilige Kind als Pfändungsgläubiger gepfändet werden und zwar wegen dessen gesetzlicher – nicht vertraglicher – Unterhaltsansprüche. Selbst Ansprüche Dritter aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung begründet kein Zugriffsrecht (BGH, Rpfleger 2016, 485 = InsbürO 2016, 387 = Familienrecht kompakt 2016, 93 = Vollstreckung effektiv 2016, 101 = FF 2016, 264 = FamRB 2016, 314= FoVo 2016, 129; LG Verden, Beschluss v. 28.11.2013, 6 T 128/13 – Juris). Die grundsätzliche Unpfändbarkeit des Anspruchs auf Kindergeld dient dazu sicherzustellen, dass dem Kindergeldberechtigten das Geld auch tatsächlich zufließt, damit er ungehindert hierüber zu Gunsten des Kindes verfügen kann; mittelbar wird damit auch das Kind geschützt, dem das Kindergeld zu Gute kommen soll. Diese Unpfändbarkeit würde sich jedoch ihrem Sinn zuwider nachteilig für das begünstigte Kind auswirken, wenn dessen gesetzliche Unterhaltsansprüche nicht erfüllt werden und im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden sollen. Deshalb ist wegen dieser Ansprüche die Pfändung möglich, wodurch im Ergebnis das Kindergeld direkt dem Kind zufließen kann (BGH, Rpfleger 2016, 485 = InsbürO 2016, 387 = Familienrecht kompakt 2016, 93 = Vollstreckung effektiv 2016, 101 = FF 2016, 264 = FamRB 2016, 314-= FoVo 2016, 129). Eine teleologische Erweiterung der Vorschrift des § 76 Satz 1 EStG auf Fälle, in denen die Pfändung des Anspruchs auf Kindergeld wegen solcher Ansprüche erfolgt, die mit dem Unterhalt des Kindes in einem inneren Zusammenhang stehen, ist nicht möglich. Es spricht nichts dafür, dass das Gesetz eine planwidrige Lücke aufweist. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber übersehen haben könnte, dass es Ansprüche Dritter gibt, die mit dem Unterhalt des Kindes in einem inneren Zusammenhang stehen. Denn solche Ansprüche entstehen regelmäßig in großer Zahl bei der Versorgung eines Kindes (BGH, Rpfleger 2016, 485 = InsbürO 2016, 387 = Familienrecht kompakt 2016, 93 = Vollstreckung effektiv 2016, 101 = FF 2016, 264 = FamRB 2016, 314-= FoVo 2016, 129). 

 

Rz. 193e

Drittschuldner ist die Familienkasse (§ 46 Abs. 7 AO, § 13 BKGG). Eine Pfändung durch andere gesetzliche Unterhaltsgläubiger wie z. B. (frühere) Ehegatten, Kinder, die keinen Anspruch auf die Leistung haben oder Dritte, auf die der Unterhaltsanspruch des Kindes übergegangen ist (z. B. Bundesland gem. § 7 UVG) scheidet daher aus. Pfändungsgläubiger kann somit jedes Kind sein, das "bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird" (§ 76 Abs. 1 Satz 1 EStG, 54 Abs. 5 Satz 1 SGB I). Hierunter fallen (Mock, Praxis der Forderungsvollstreckung, 1. Auflage, Rn. 54 f.):

  • Zahlkinder: Das sind Kinder, für die die Leistung tatsächlich erbracht wird. Der Leistungsberechtigte erhält derzeit für die ersten beiden Kinder monatlich 204 EUR, für das dritte Kind monatlich 210 EUR und ab dem vierten Kind monatlich 235 EUR.
  • Zählkinder: Als Zählkinder bezeichnet man bei der Festsetzung des Kindergeldes Kinder aus einer anderen Beziehung, die bei einem Elternteil zu berücksichtigen sind, ohne dass dieser das Kindergeld hierfür erhält. Zählkinder haben die Wirkung, dass jüngere (Halb-) Geschwister in der Kindergeldhöhe aufrutschen, da das Kindergeld nach Anzahl und Alter der Kinder gestaffelt ist. Ein Kind, für das ein Elternteil einen Kindergeldanspruch hat, wird als Zählkind bezeichnet. Der Vorteil liegt also darin, dass ein höheres Kindergeld ausgezahlt wird, da die Anzahl der Kinder rechnerisch höher gesetzt wird. Dieser Vorteil gilt aber nur bei einer entsprechenden Anzahl von Kindern und beschränkt sich auf höchstens vier Kinder.

Beispiel (Mock, Praxis der Forderungsvollstreckung, 1. Auflage, Rn. 55)

Der Schuldner hat drei minderjährige eheliche Kinder im Alter von 1, 4 und 9 Jahren. Daneben hat er noch ein nicht eheliches Kind im Alter von 17 Jahren. Dieses lebt bei der Mutter. Der Schuldner erhält folgendes Kindergeld ausgezahlt:

Erstes Kind (17 Jahre): keine Auszahlung

Zweites Kind (9 Jahre): 204 EUR

Drittes Kind (4 Jahre): 210 EUR

Viertes Kind (1 Jahr): 235 EUR

Summe 649 EUR

Das nichteheliche Kind ist ein "Zählkind". Die drei Kinder aus der Ehe sind hingegen "Zahlkinder". Der Schuldner kann sein weiteres leibliches Kind, das nicht bei ihm wohnt bei der Kindergeldberechnung mitzählen. Die drei jüngeren Kinder werden somit wie die Kinder Nummer zwei, drei und vier gezählt. Ohne diesen Zählvorteil würde der Schuldner bei drei Zahlkindern erhalten:

Erstes Kind (9 Jahre): 204 EUR

Zweites Kind (4 Jahre): 204 EUR

Drittes Kind (1 Jahr): 210 EUR

Summe 618 EUR

Der Zählkindvorteil beträgt somit 649 EUR – 618 EUR = 31 EUR.

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