Rz. 15

Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses prüft das Vollstreckungsgericht nicht, ob die zu pfändende Forderung besteht; es prüft nur, ob diese nach dem Sachvortrag des Gläubigers dem Schuldner gegen den Drittschuldner zustehen kann und ob sie nicht unpfändbar ist (BGH, WM 2004, 934 = Vollstreckung effektiv 2004, 93 = FamRZ 2004, 872 = ZVI 2004, 284 = Rpfleger 2004, 427 = JurBüro 2004, 391 = NJW 2004, 2096 = MDR 2004, 834 = KKZ 2005, 111; vgl. Musielak/Becker, § 819 Rn. 8; Zöller/Stöber, § 829 Rn. 4, 5). Der Sachvortrag des Gläubigers ist dabei als wahr zu unterstellen. Da der zu pfändende Anspruch nicht begründet, sondern lediglich bezeichnet wird, darf der Antrag nur ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn dem Schuldner der Anspruch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht zustehen kann oder ersichtlich unpfändbar ist. Gleiches gilt, wenn das Vollstreckungsgericht sich sicher ist, dass die Forderung nicht besteht, da andernfalls das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Das Vollstreckungsgericht hat im Verfahren der Forderungspfändung keine materiell-rechtliche Prüfung des Bestands der Forderung, auch keine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Nur wenn nach allen in Betracht kommenden vertretbaren Rechtsansichten der Bestand der Forderung ausgeschlossen scheint, ist der Erlass des Pfändungsbeschlusses abzulehnen (LG Düsseldorf, JurBüro 2004, 215; LG Köln, JurBüro 1986, 781). Wie das Wörtchen "soll" in § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO zum Ausdruck bringt, wird nur die angebliche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner gepfändet; ob diese tatsächlich existiert, ist gegebenenfalls im Einziehungsprozess festzustellen (BGH, NJW 2006, 849; BayVGH, KKZ 2018, 154). 

 

Rz. 16

Besteht die Forderung z. Zt. der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner nicht oder nicht mehr, geht die Pfändung ins Leere und ist nichtig und damit wirkungslos (OLG München, Urteil v. 9.11.2016, 3 U 4760/15 – juris m. w. N.; BGH, NJW 1988, 495 = WM 1987, 979 = MDR 1987, 1021 = Rpfleger 1987, 464 = JuS 1988, 909 = KTS 1987, 744 = JA 1987, 569 = DB 1987, 1933). Steht die Forderung zu diesem Zeitpunkt nicht dem Schuldner, sondern einem Dritten zu, muss dieser daher keine Drittwiderspruchsklage erheben. Er kann dies aber dennoch tun, um den bestehenden Anschein einer wirksamen Pfändung zu beseitigen (BGH, WM 1981, 648 = JuS 1981, 773; Zöller/Herget, § 771 Rn. 2).

 

Rz. 17

Streitig ist, ob der Gläubiger erneut pfänden muss, wenn der Schuldner die Forderung vor der Pfändung abgetreten hat und sie ihm nach der Pfändung rückabgetreten wird, oder wenn sie bei der Pfändung einem Dritten zugestanden hat, dieser aber später aufgrund einer Anfechtungsklage des Gläubiger (§§ 11, 13 AnfG) verurteilt wird, die Zwangsvollstreckung in die gepfändete Forderung zu dulden. Nach einer in der Lit. vertretener Ansicht (vgl. z. B. Tiedtke, NJW 1972, 748 sowie JZ 1993, 73 in dem Anschluss an die Rspr. des RG, etwa RGZ 61, 150; zur Rückabtretung vgl. auch Rz. 88 f., 205) soll dies nicht erforderlich sein, da in diesem Fall § 185 Abs. 2 BGB analog anwendbar sei. Nach der Auffassung des BGH (NJW 2002, 755 = WM 2002, 279 = MDR 2002, 477; BGHZ 56, 339 = VersR 1971, 1031; BGH, NJW 1987, 1703 = MDR 1987, 494 = Information StW 1987, 237 = JZ 1987, 931 = JR 1987, 410 = WuB VI D § 11 AnfG 1.87 = ZZP 101, 426 = LM Nr 10 zu § 7 AnfG = ZIP 1987, 601 = JuS 1987, 911 = KTS 1987, 295 = JA 1987, 377 = BGHZ 100, 36 = WM 1987, 434 = DB 1987, 778) muss der Gläubiger erneut pfänden. Denn ist eine Forderung bereits vor der Pfändung vom Schuldner abgetreten worden, so wird sie, wenn der neue Gläubiger sie nach der Pfändung zurückabtritt, von dieser nicht erfasst; sie wird dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch nicht nachträglich unterworfen. Vielmehr setzt die Pfändung einer Forderung einen im Zeitpunkt der Pfändung in der Person des Schuldners bestehenden Anspruch gegen den Drittschuldner voraus. Ist dies nicht der Fall, ist sie nichtig. Eine entsprechende Anwendung des § 185 Abs. 2 BGB auf Pfändungen kommt nicht in Betracht (BGHZ 56, 339 = VersR 1971, 1031; BGH, WM 1987, 979 = DB 1987, 1933 = MDR 1987, 1021 = Rpfleger 1987, 464 = JuS 1988, 909 = NJW 1988, 495 = KTS 1987, 744 = JA 1987, 569). Die gerichtliche Überweisung einer bereits abgetretenen Forderung führt also weder zu ihrer Verstrickung noch bedarf es vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelfe, um die Rechtswirkungen des Beschlusses zu beseitigen. Leistet der Drittschuldner dennoch, wird er dadurch von seiner Leistungspflicht gegenüber dem wahren Gläubiger nicht frei; § 836 Abs. 2 ZPO hat keine Geltung (BGH, WM 1987, 979 = DB 1987, 1933 = MDR 1987, 1021 = Rpfleger 1987, 464 = JuS 1988, 909 = NJW 1988, 495 = KTS 1987, 744 = JA 1987, 569). Auch ein materiell-rechtlicher Schutz des Beklagten über die §§ 408 Abs. 1, 2, 407, 409 Abs. 1 BGB besteht vorliegend nicht, da ihm die maßgeblichen Abtretungsvorgänge angezeigt waren.

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