Rz. 174

§ 50 Abs. 4 EStG ermächtigt die Finanzbehörde, die Steuer bei beschr. Stpfl. unter bestimmten Umständen ganz oder teilweise zu erlassen oder in einem Pauschbetrag festzusetzen. Der Erlass oder die Pauschalierung war ursprünglich davon abhängig, dass hierfür volkswirtschaftliche Gründe vorlagen oder eine gesonderte Berechnung der Einkünfte besonders schwierig war. Gegen diese Regelung konnten verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Unbestimmtheit der Tatbestandsvoraussetzungen geltend gemacht werden. So hat der BFH[1] entschieden, dass die Anrechnung ausl. Steuern regelmäßig nicht zu besonderen Schwierigkeiten führt. Es war auch fraglich, ob von der Förderung von Kulturvereinigungen wesentliche volkswirtschaftliche Impulse ausgehen konnten.[2] Wegen dieser Bedenken ist die Vorschrift durch G. v. 19.12.2008[3] mit Wirkung ab Vz 2009 neu gefasst worden. Dabei wurde die Möglichkeit des Erlasses oder der Pauschalierung der Steuer auf die Fälle des öffentlichen Interesses beschränkt. Dagegen wurde die Möglichkeit des Erlasses oder der Pauschalierung wegen der Schwierigkeit der gesonderten Berechnung der Einkünfte ersatzlos gestrichen.

 

Rz. 175

Nach der Neuregelung kommt ein Erlass oder eine Pauschalierung der Steuer in Betracht, wenn diese Maßnahme in besonderem öffentlichem Interesse liegt. Dieses besondere öffentliche Interesse muss konkret vorliegen, d. h. allgemeine Erwägungen zur Verbesserung der internationalen Beziehungen der Bundesrepublik genügen nicht. Auch die Absicht, die Steuerfestsetzung zu vereinfachen und aufwendige Ermittlungen über die Höhe der Einkünfte zu vermeiden, begründet kein besonderes öffentliches Interesse. Es muss sich um einen Bereich handeln, für den die staatlichen Stellen einen Förderauftrag haben oder der jedenfalls gefördert werden kann. Bei der Anwendung dieser Vorschrift können kultur- und sportpolitische Aspekte berücksichtigt werden. Allerdings darf das geförderte öffentliche Interesse nicht mit wesentlichen anderen öffentlichen Interessen kollidieren. Das bedeutet, dass von der Fördermaßnahme keine spürbare Wettbewerbsverzerrung ausgehen darf.

 

Rz. 176

§ 50 Abs. 4 Halbs. 2 Nrn. 1 und 2 EStG erläutert, wann ein besonderes öffentliches Interesse vorliegt. Dabei handelt es sich um eine abschließende Aufzählung. Ursprünglich war durch das Wort "insbesondere" ausgedrückt, dass es sich um eine beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung handelt. Daher waren auch andere Fälle des besonderen öffentlichen Interesses denkbar. Um an den Begriff des "besonderen öffentlichen Interesses" einen hohen Maßstab anzulegen und ihn eng auszulegen ist das Wort "insbesondere" gestrichen worden.[4] Damit enthält die Vorschrift eine abschließende Regelung, so dass nicht genannte Aktivitäten nicht im "besonderen öffentlichen Interesse" liegen. Dies soll nach § 52 Abs. 46 S. 3 EStG in allen offenen Fällen gelten. Begründet wird dies damit, dass durch die Streichung des Wortes Zweifel, insbesondere hinsichtlich des Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot, beseitigt werden sollten und die Regelung als Klarstellung daher auch rückwirkend anzuwenden sei.[5]

Trotzdem dürfte eine echte Rückwirkung vorliegen, die verfassungsrechtlich bedenklich ist, aber unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Regelung noch hinnehmbar erscheint.

 

Rz. 177

Nach § 50 Abs. 4 Halbs. 2 Nr. 1 EStG liegt ein besonderes öffentliches Interesse vor, wenn der Erlass oder die Pauschalierung der Steuer die inländische Veranstaltung international bedeutsamer kultureller oder sportlicher Ereignisse betrifft. Hintergrund ist, dass solche (Groß-)Veranstaltungen von den Trägerorganisationen nur dann an die Bundesrepublik vergeben werden, wenn die steuerliche Belastung reduziert oder ausgeschlossen wird. Voraussetzung für die Anwendung der Nr. 1 ist, dass sich mehrere Staaten für die Ausrichtung dieser Veranstaltungen bewerben können. Ohne eine Reduzierung der Steuerlast wäre die Bundesrepublik in dem Wettbewerb um die Ausrichtung chancenlos. Das besondere öffentliche Interesse an der Ausrichtung dieser Veranstaltungen besteht in dem Prestige, das die Ausrichtung einer solchen Veranstaltung vermittelt, aber auch in der Mobilisierung erheblicher finanzieller Mittel für den Ausbau der Infrastruktur sowie in wirtschaftlichen Effekten durch die zu erwartenden Besucherströme. Begünstigt ist nur die Veranstaltung selbst, an deren Durchführung das besondere öffentliche Interesse besteht. Die Durchführung der Veranstaltung muss daher selbst und unmittelbar im besonderen öffentlichen Interesse liegen. Ausgeschlossen von dem Erlass oder der Pauschalierung sind die mit einer solchen Veranstaltung nur zusammenhängenden Ereignisse, an denen selbst kein unmittelbares besonderes öffentliches Interesse besteht. In Betracht für einen Erlass oder eine Pauschalierung der Steuer kommen etwa im sportlichen Bereich Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympische Spiele[6], im kulturellen Bereich Konzerte, Ausste...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge