Rz. 6

Die Unterschiede zwischen beschr. und unbeschränkter Steuerpflicht, und insbes. die tendenziell bestehende Höherbelastung des beschränkt Stpfl., haben die Frage aufgeworfen, ob diese Regelungen mit dem GG und dem EG-Vertrag vereinbar sind.

 

Rz. 7

Grundsätzlich gilt auch für beschr. Stpfl. der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.[1] Damit verbietet es der Gleichheitssatz des Art. 3 GG, beschränkt Stpfl. höher zu besteuern als unbeschränkt Stpfl. Damit ist aber die im Inland regelmäßig höhere Steuerlast des beschr. Stpfl. noch nicht verfassungswidrig. Der Gleichheitssatz und der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beziehen sich auf die Gesamtbelastung, nicht nur auf die inländische Belastung. Die beschr. Steuerpflicht erfasst, anders als die unbeschränkte Steuerpflicht, nur das inländische Einkommen, nicht das Welteinkommen. Das Gesetz kann typisierend davon ausgehen, dass der Stpfl. auch Einkünfte im Ausland erzielt, die nicht, auch nicht im Weg des Progressionsvorbehalts, im Inland berücksichtigt werden. Bei der Besteuerung im ausl. Staat der unbeschränkten Steuerpflicht besteht dann die Möglichkeit, durch Abzüge von den Einkünften eine, auch unter Berücksichtigung der Belastung der beschr. stpfl. Einkünfte, der Leistungsfähigkeit entsprechende Gesamtbelastung herzustellen. Nach dieser Auffassung ist die Berücksichtigung der persönlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Sache des Staats, in dem der Stpfl. der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Die Regelung der beschr. Steuerpflicht wurde von der Rspr. daher im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen.[2]

 

Rz. 8

Konsequent schließt der BFH[3] an diese Überlegungen an, wenn er ausführt, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der beschr. Steuerpflicht dann bestünden, wenn der beschr. Stpfl. mehr als 90 % der Gesamteinkünfte im Rahmen der beschr. Steuerpflicht erziele. In diesen Fällen ist das Steueraufkommen, das der Staat der unbeschränkten Steuerpflicht unabhängig von der Belastung aus der beschr. Steuerpflicht realisieren kann, im Verhältnis so gering, dass nicht erwartet werden kann, dass er die aus dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit notwendigen Entlastungen in vollem Umfang vornimmt. Damit sind insbes. die Fälle der "Grenzpendler" angesprochen (hierzu § 49 EStG Rz. 250a ff.).

 

Rz. 9

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der beschr. Steuerpflicht sind auch aus dem Gesichtspunkt des AEUV geltend gemacht worden. Grundlage hierfür sind die Grundfreiheiten, insbes. Art. 45 AEUV (Freizügigkeit der Arbeitnehmer) und Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit). Den Anstoß für die europarechtliche Diskussion der Voraussetzungen und Grenzen der beschränkten Steuerpflicht gab das Problem der Grenzpendlerbesteuerung. Hierzu hat der EuGH[4] folgende Rechtsgrundsätze entwickelt:

  • Obwohl die direkten Steuern nicht zum Harmonisierungsbereich der EG gehören, verbietet die Garantie der Freizügigkeit in Art. 45 AEUV, den Angehörigen eines Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat nur deshalb stärker zu besteuern, weil er in Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit Einkünfte aus dem anderen Mitgliedstaat erzielt.
  • Eine unterschiedliche Ausgestaltung von beschr. und unbeschränkter Steuerpflicht ist nicht grundsätzlich diskriminierend, da der beschr. Steuerpflicht nur ein Teil der Gesamteinkünfte unterliegt und die Gesamtleistungskraft am leichtesten am Wohnsitz beurteilt werden kann (Rz. 7). Sachliche Unterschiede zwischen der Steuersituation der beschr. Stpfl. im Vergleich zu den unbeschränkten Stpfl. rechtfertigen unterschiedliche Regelungen, und damit u. U. auch eine Höherbesteuerung einer der beiden Gruppen.
  • Eine Diskriminierung, die gegen Art. 45 AEUV verstößt, liegt jedoch vor, wenn der beschr. Stpfl. in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte erzielt. Dann kann die Leistungsfähigkeit nur im Tätigkeitsstaat angemessen besteuert werden. Im Tätigkeitsstaat ist dann der beschränkt Stpfl. in der Besteuerung einem unbeschränkt Stpfl. gleichzustellen.
  • In verfahrensrechtlicher Hinsicht besteht eine unzulässige Diskriminierung darin, dass beschr. stpfl. Arbeitnehmer durch die Abgeltungswirkung der LSt (Rz. 123) von einer Veranlagung und damit einer möglichen Steuererstattung ausgeschlossen sind. Ein Billigkeitserlass nach § 163 AO genügt nicht, diese Diskriminierung zu beseitigen.
 

Rz. 10

Schon vor der Entscheidung des EuGH[5] wurde die Grenzpendlerbesteuerung durch G. v. 24.6.1994[6] mit Wirkung ab 1995 neu geregelt; diese Regelung entsprach aber nicht in vollem Umfang den Vorgaben des EuGH. Um insoweit den Bedenken Rechnung zu tragen, wurde die Steuerpflicht von EU-Angehörigen und Angehörigen des EWR ab Vz 1996 durch G. v. 11.10.1995[7] neu geregelt. Beschränkungen, bei denen der Abzug der Aufwendungen von der unbeschränkten Steuerpflicht des Empfängers abhängig gemacht wird, wurden beseitigt (§ 1a EStG); schließlich wurde für beschr. stpfl. Arbeitnehmer eine ...

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