Rz. 3

Der Begriff der Veranlagung ist in § 25 Abs. 1 EStG geregelt. Er bezeichnet die Festsetzung der Steuer durch förmlichen Steuerbescheid (§ 155 AO) aufgrund eines vorangegangenen Ermittlungs- und Prüfungsverfahrens (§ 25 EStG Rz. 17). Wesensmerkmal der Veranlagung ist, dass bei ihr die aufgrund der gesetzlichen Vorschriften tatsächlich entstandene Steuer festgesetzt und erhoben wird, unter Einbeziehung der Einkünfte aller Einkunftsarten und aller sachlichen und persönlichen Abzüge sowie Freibeträge. Im Gegensatz hierzu stehen die Abzugssteuern, bei denen die ESt i. d. R. nur auf der Grundlage der Einkünfte einer einzigen Einkunftsart, z. T. auch nur aufgrund des Zuflusses einzelner Einnahmen innerhalb einer Einkunftsart, festgesetzt und erhoben wird (z. B. LSt, KapESt). Im Gegensatz zur Veranlagung kann bei der Abzugssteuer eine Steuer erhoben werden, die höher oder niedriger ist als die Steuer, die bei Anwendung aller Vorschriften des EStG entstanden wäre.

 

Rz. 4

§ 46 Abs. 2 EStG bestimmt, dass bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen LSt einbehalten worden ist, eine Veranlagung nur in den einzeln aufgeführten Fällen vorzunehmen ist. Die Aufzählung in § 46 Abs. 2 EStG ist abschließend. Sie kann also nicht auf andere, gesetzlich nicht benannte Sachverhalte ausgedehnt werden. § 46 Abs. 2 EStG führt damit zu einer Einschränkung des in § 25 Abs. 1 EStG enthaltenen allgem. Veranlagungsgebots. Soweit die Tatbestände des § 46 Abs. 2 EStG nicht erfüllt sind, besteht für das FA ein Veranlagungsverbot.[1]

 

Rz. 4a

Soweit nach § 46 Abs. 2 EStG keine Veranlagung erfolgt, kommt dem LSt-Abzug gem. § 46 Abs. 4 EStG Abgeltungswirkung zu (Rz. 21ff.). Die Tatbestände des § 46 Abs. 2 EStG sind aus diesem Grund so aufgebaut, dass in allen Fällen, in denen die Möglichkeit besteht, dass der LSt-Abzug zu einer unrichtigen Steuer führt, die Veranlagung angeordnet wird (Nr. 1 bis 7) bzw. vom Stpfl. beantragt werden kann (Nr. 8 und 9). Die Abgeltungswirkung ist daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen im Allgemeinen damit gerechnet werden kann, dass der LSt-Abzug zu keinem wesentlich anderen Ergebnis führen wird als eine Veranlagung.

 

Rz. 5

§ 46 EStG gilt nur für Stpfl. mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug (LSt-Abzug) vorgenommen worden ist. Eine weitere Vorschrift, durch die das allgem. Veranlagungsgebot des § 25 Abs. 1 EStG eingeschränkt wird, ist § 50 Abs. 2 EStG, nach dessen S. 1 der Steuerabzug bei beschr. Stpfl. grundsätzlich Abgeltungswirkung hat. § 50 Abs. 2 S. 2 EStG enthält jedoch Ausnahmen von der Abgeltungswirkung mit der Folge, dass insoweit eine Veranlagung durchzuführen ist (§ 50 EStG Rz. 108ff.).

 

Rz. 5a

Eine weitere Ausnahme vom allgem. Veranlagungsgebot des § 25 Abs. 1 EStG gilt ab Vz 2009 für Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG, bei denen dem KapESt-Abzug gem. § 43 Abs. 5 S. 1 EStG Abgeltungswirkung zukommt (sog. Abgeltungssteuer). Der Stpfl. kann diese Einkünfte jedoch auf Antrag in eine Veranlagung mit dem gesonderten Steuertarif des § 32d EStG (§ 43 Abs. 5 S. 3 EStG, § 32d Abs. 4 EStG) oder mit dem (allgem.) ESt-Tarif des § 32a EStG (§ 32d Abs. 6 EStG) einbeziehen.[2] Erzielt der Stpfl. Kapitaleinkünfte, die weder der tariflichen ESt noch dem KapESt-Abzug unterliegen, begründet § 32d Abs. 3 S. 3 EStG eine Pflicht zur Veranlagung (Rz. 26b).

 

Rz. 5b

Bei allen anderen Einkünften eines unbeschränkt Stpfl. ist gem. § 25 Abs. 1 EStG immer eine Veranlagung durchzuführen.

[2] Zu Ausnahmen von der Abgeltungssteuer vgl. § 43 Abs. 5 S. 2 EStG i. V. m. § 32d Abs. 2 EStG.

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