Rz. 101

Der Verleiher ist grundsätzlich im arbeits- und lohnsteuerrechtlichen Sinn der Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer mit der Folge, dass er für nicht einbehaltene und nicht abgeführte LSt nach § 42d Abs. 1 EStG haftet. Denn aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags verpflichtet sich der Verleiher, dem Entleiher vorübergehend für die Arbeitsleistung einen leistungsfähigen und leistungsbereiten Arbeitnehmer zu verschaffen. Der Verleiher bleibt der Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer entlohnt. Der Entleiher übt jedoch für die Zeeit der Überlassung das mit der Arbeitgeberstellung verbundene Direktionsrecht aus. Auch wenn der Verleiher keine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung besitzt, bleibt er – anders als nach Arbeitsrecht (§ 10 Abs. 1 AÜG) – Arbeitgeber im lohnsteuerrechtlichen Sinn, solange er – also nicht der Entleiher – die Arbeitskräfte entlohnt.[1] Denn in Fällen der Arbeitnehmerüberlassung ist derjenige als Arbeitgeber anzusehen, der dem Arbeitnehmer den Lohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt.[2] Der eine Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis betreibende Verleiher verliert erst dann seine lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberstellung, wenn der Entleiher die Arbeitnehmer im eigenen Namen und für eigene Rechnung entlohnt. Damit führt die Arbeitnehmerüberlassung zu einem Arbeitgeberwechsel.[3]

 

Rz. 102

Ein Arbeitgeber, der zur Einbehaltung und Abführung der LSt verpflichtet ist, ist nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch ein ausländischer Verleiher, der gewerbsmäßig Arbeitnehmer einem Entleiher zur Arbeitsleistung im Inland überlässt . Es kommt nicht darauf an, ob er erlaubt oder unerlaubt Arbeitnehmer überlässt. Er ist als der Arbeitgeber anzusehen, sofern er dem Arbeitnehmer den Lohn im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auszahlt.[4]§ 38 Abs. 1 Nr. 2 EStG stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar, dass nur ein inländischer Arbeitgeber verpflichtet ist, LSt einzubehalten und abzuführen. Der Grundsatz rechtfertigt sich damit, dass der Steuereinbehalt eine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellt, die auf das Hoheitsgebiet beschränkt ist. Zweck der Begründung der Arbeitgeberstellung von ausländischen Verleihern nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 ist es, die Grundlage für die Haftung des Entleihers für die LSt der bei ihm tätigen Arbeitnehmer nach § 42d Abs. 6 EStG zu schaffen, die von der Haftung des Verleihers abhängt[5] (zur doppelten Akzessorietät der Haftung des Entleihers s. Rz. 104).

 

Rz. 103

Ein ausländischer Verleiher bleibt auch dann einbehaltungspflichtiger Arbeitgeber, wenn der Entleiher Arbeitgeber i. S. eines DBA ist. Eine solche abkommensrechtliche Zuordnung der Arbeitgeberstellung hat nur Bedeutung für die Zuteilung des Besteuerungsrechts. DBA begründen keine steuerlichen Pflichten wie z. B. diejenige zur Einbehaltung und Abführung von LSt.[6]

 

Rz. 103a

Abkommensrechtlich ist bei einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich der Entleiher als Arbeitgeber bereits mit der Aufnahme der Tätigkeit des Leiharbeitnehmers anzusehen. Denn der Leiharbeitnehmer ist regelmäßig in den Betrieb des Entleihers eingebunden. Dieser nimmt die Arbeitgeberfunktionen wahr. Allerdings können bei kurzfristiger Überlassung wesentliche Arbeitgeberfunktionen beim Verleiher verbleiben.[7] Abkommensrechtlicher Arbeitgeber ist damit derjenige, der die Vergütung für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt. Es gilt der wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff des § 38 Abs. 1 S. 2 EStG. Grundsätzlich hat damit der Tätigkeitsstaat, also der Staat des Entleihers, das Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA, während der Verleiher die LSt abzuführen hat.

 

Rz. 103b

Die 183-Tage-Klausel nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA führt allerdings dazu, dass bei einem im Ausland ansässigen, aber im Inland eingesetzten Arbeitnehmer bei einer inländischen Tätigkeitsdauer von nicht mehr als 183 Tagen im Kj. der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat .[8] Einige Abkommen schließen jedoch die 183-Tage-Klausel zur Vermeidung von Missbrauch in Fällen der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung mit der Folge aus, dass es beim Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA bleibt, unabhängig davon, wie lange der Arbeitnehmer in Tätigkeit arbeitet.[9]

 

Rz. 103c

Der Verleiher hat in jedem Fall den LSt-Abzug in Deutschland vorzunehmen, und zwar als Inländer nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG und als Ausländer nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Dies gilt sowohl im Falle der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung als auch im Falle der unerlaubten. Steuerlich ist also nicht § 10 Abs. 1 AÜG anwendbar, demzufolge bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung der Entleiher als Arbeitgeber gilt. Wenn der Entleiher den Arbeitslohn in Ermangelung des Verleihers direkt an den Arbeitnehmer zahlt, gilt zwar der Entleiher nach R 19 Abs. 1 S. 6 LStR 2023 als Arbeitgeber, abführungspflichtig ist jedoch auch dann der Verleiher entsprechend der Regelung in § 38 Abs. 1 EStG bei Lohnzahlungen Dritter.

[1] B...

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