Rz. 35

Der Haftungsanspruch des FA entsteht nach § 38 AO, sobald der Arbeitgeber den Haftungstatbestand i. S. v. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG verwirklicht hat. Dies geschieht dadurch, dass er entgegen § 41a Abs. 1 EStG nicht spätestens am 10. nach Ablauf eines jeden LSt-Anmeldungszeitraums als Fälligkeitszeitpunkt die LSt ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt hat.[1]

 

Rz. 36

Die Festsetzungsfrist für die Haftungsschuld beträgt grundsätzlich 4 Jahre (§ 191 Abs. 3 S. 2 AO).[2] Die Festsetzungsfrist für die Haftungsschuld endet nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist (§ 191 Abs. 3 S. 4 AO). Ein Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber kann nicht mehr ergehen, wenn die gegen den Arbeitnehmer als Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt oder erlassen worden ist (§ 191 Abs. 5 Nr. 2 AO).

 

Rz. 36a

Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer LSt-Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Stpfl. hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 drei Monate verstrichen sind (§ 171 Abs. 4 S. 1 AO).[3]

 

Rz. 37

Die Zahlung des einen der beiden Gesamtschuldner – Arbeitgeber oder Arbeitnehmer – wirkt auch zugunsten des anderen Gesamtschuldners (§ 44 Abs. 2 S. 1 AO). Zahlungen des Arbeitnehmers führen jedoch nach Ergehen der Einspruchsentscheidung nicht mehr zur Herabsetzung der Haftungsschuld zugunsten des Arbeitgebers[4], ebenso eine Zahlungsverjährung der Steuerschuld nach Ergehen der Einspruchsentscheidung.[5] Der Arbeitgeber kann jedoch eine Berücksichtigung der Zahlung des Arbeitnehmers erreichen, indem er einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO oder den Widerruf des Haftungsbescheids nach § 131 Abs. 1 AO beantragt, selbst wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist.[6] Hingegen wirken andere Tatsachen – wie z. B. die Festsetzungs- oder die Zahlungsverjährung – nur für und gegen den betreffenden Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Einwendungen des Arbeitnehmers gegen seine Inanspruchnahme als Gesamtschuldner gehören nicht in das Festsetzungs-, sondern in das Abrechnungsverfahren nach § 218 Abs. 2 AO.[7]

 

Rz. 38

Eine Haftungsforderung oder eine Steuernachforderung ist nach § 42d Abs. 5 EStG nicht geltend zu machen, wenn sie insgesamt 10 EUR nicht übersteigt. Diese Bagatellgrenze kann sich beim Arbeitgeber anders auswirken als beim Arbeitnehmer. Denn beim Arbeitgeber kommt es nach h. M. nicht auf die für jeden einzelnen Arbeitnehmer, sondern auf die insgesamt nachzufordernde LSt an. Dies wird aus dem Wort "insgesamt" in § 42d Abs. 5 EStG gefolgert.[8] Bei einer großen Zahl von betroffenen Arbeitnehmern kann das FA infolgedessen bei seiner Nachforderung vom einzelnen Arbeitnehmer an der Bagatellgrenze nach § 42d Abs. 5 EStG scheitern, nicht aber an einer Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers gehindert sein. Die Bagatellgrenze kann jedoch nicht einem Regress des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer entgegenstehen. Denn sie ist zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung geschaffen worden.[9]

[1] Krüger, in Schmidt, EStG, 2022, § 42d EStG Rz. 3.
[2] FG Hamburg v. 30.5.2011, 2 K 154/10, EFG 2012, 13; Rüsken, in Klein, AO 2022, § 191 AO Rz. 140.
[3] § 171 Abs. 4 AO geändert durch G. v. 20.12.2022, BGBl I 2022, 2730; zur Anwendung Art. 97 § 37 Abs. 2 EGAO.
[7] Krüger, in Schmidt, EStG, 2022, § 42d EStG Rz. 16.
[8] Krüger, in Schmidt, EStG, 2022, § 42d EStG Rz. 65; Wagner, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 42d EStG Rz. 214.
[9] Krüger, in Schmidt, EStG, 2022, § 42d EStG Rz. 65.

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