Rz. 48

Nach § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG greift der Progressionsvorbehalt schließlich auch ein, wenn eine Veranlagung von nicht im Inland ansässigen Personen auf Antrag erfolgt. Der Antrag kann auf eine Veranlagung als unbeschränkt stpfl. oder als beschr. stpfl. gerichtet sein. Die einschlägigen Anträge auf Veranlagung werden durch § 1 Abs. 3 EStG, § 1a EStG bzw. § 50 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 EStG ermöglicht.[1]

 

Rz. 49

Durch G. v. 11.10.1995[2] ist die Anwendung des Progressionsvorbehalts m. W. v. Vz 1996 auf diejenigen Personen ausgedehnt worden, die nach § 1 Abs. 3 EStG bzw. § 1a EStG auf Antrag als unbeschränkt Stpfl. behandelt werden (zu den unter diese Vorschriften fallenden Personengruppen vgl. § 1 EStG Rz. 39; § 1a EStG Rz. 3). Da diese Personen, trotz Fehlens von Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalts im Inland, als unbeschränkt stpfl. behandelt werden, ist es nur konsequent, dass im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht auch der Progressionsvorbehalt anzuwenden ist. Im Fall des § 1a EStG, nach dem auch Ehegatten des Stpfl. als unbeschränkt stpfl. behandelt werden, sind auch nicht der deutschen Besteuerung unterliegende Einkünfte des Ehegatten in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Zur Behandlung des von Organen der EU an Beamte gezahlten Tagegelds vgl. Rz. 47. In beiden Fallgruppen (§ 1 Abs. 3 EStG und § 1a EStG) wird der Progressionsvorbehalt auf Personengruppen ausgedehnt, die nicht im Inland "ansässig" i. S. d. der Regelungen der DBA sind. Dies ist jedoch kein Verstoß gegen das jeweilige DBA, da im Ergebnis nur das Antragsrecht auf Behandlung als unbeschränkt stpfl. bzw. auf Veranlagung eingeschränkt wird. Stellt der betroffene Stpfl. den Antrag, muss er alle daran anknüpfenden Konsequenzen des innerstaatlichen Rechts hinnehmen; er kann den Antrag nicht auf bestimmte, für ihn günstige Rechtsfolgen beschränken. Will er den Progressionsvorbehalt nicht hinnehmen, darf er den Antrag nicht stellen.[3] Im Übrigen wäre der Progressionsvorbehalt auch dadurch gerechtfertigt, dass die DBA die Anwendung des Progressionsvorbehalts nur in dem Ansässigkeitsstaat regeln. Hinsichtlich des Progressionsvorbehalts in einem Nichtansässigkeitsstaat enthält das DBA regelmäßig keine Bestimmungen und überlässt es daher dem Nichtansässigkeitsstaat, ob er einen Progressionsvorbehalt für diese Fälle einführt oder nicht (Rz. 32).

 

Rz. 50

Die zweite Gruppe von Personen, die das Recht haben, eine Veranlagung zu beantragen, sind nach § 50 Abs. 2 Nr. 4 EStG beschränkt stpfl. Arbeitnehmer aus EU oder EWR-Staaten, die auf Antrag veranlagt werden (für die also die LSt die Steuer nicht abgilt).[4] Zu dieser Fallgruppe vgl. § 50 EStG Rz. 89ff. Diese Personen werden durch die Veranlagung ähnlich wie unbeschränkt Stpfl. behandelt; es ist daher konsequent, ihre ausl. Einkünfte bei der Errechnung des Steuersatzes durch den Progressionsvorbehalt einzubeziehen. S. a. Rz. 47 wegen der Behandlung des von Organen der EU an Beamte gezahlten Tagegelds.

Die Anwendung des Progressionsvorbehalts auch bei der Veranlagung beschränkt stpfl. Arbeitnehmer ist nach § 50 Abs. 1 EStG berechtigt, da sie auch künftig den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG erhalten, wenn eine Veranlagung zur unbeschränkten ESt-Pflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG erfolgt. Die ursprünglich vorgeschlagene Nichtgewährung des Grundfreibetrags in diesen Fällen, wodurch die Berechtigung der Anwendung des Progressionsvorbehalts entfallen wäre, ist nicht Gesetz geworden.

 

Rz. 51

Ursprünglich war der Progressionsvorbehalt auf positive Einkünfte beschränkt, also der negative Progressionsvorbehalt ausgeschlossen. Diese Einschränkung ist durch das JStG 2008 v. 20.12.2007[5] ab Vz 2008 entfallen. Die Beschränkung des Progressionsvorbehalts auf positive Einkünfte stellte aus europarechtlicher Sicht einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten dar[6] und ist daher beseitigt worden.

§ 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG i. d. F. des JStG 2008 ist bei Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Staats, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, auf Antrag auch für Vz vor 2008 anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind.

[1] Kuhn/Hagena, in H/H/R, EStG/KStG, § 32b EStG Rz. 147ff.; Wagner, in Brandis/Heuermann, EStG/KStG/GewStG, § 32b EStG Rz 73ff.; Handzik, in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 32b EStG Rz. 132ff.
[2] BStBl I 1995, 438.
[3] Hellwig, DStZ 1996, 385, 387.
[4] Kuhn/Hagena, in H/H/R, EStG/KStG, § 32b EStG Rz. 147.
[5] BStBl I 2008, 218.

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