1 Grundlagen

1.1 Überblick über den Regelungsinhalt

 

Rz. 1

§ 32a EStG enthält in Abs. 1 den Grundfreibetrag, mit dem das sächliche Existenzminimum steuerfrei gestellt wird, und die Formel zur Berechnung des Grundtarifs der tariflichen ESt, ausgehend von der Bemessungsgrundlage zu versteuerndes Einkommen, in Abs. 5 die Vorschriften zum Splittingverfahren bei zusammenveranlagten Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern (§ 2 Abs. 8 EStG) sowie in Abs. 6 die Sonderfälle zur Anwendung des Splittingverfahrens bei Auflösung der Ehe durch Tod, Scheidung usw. und bei anschließender Wiederverheiratung oder der Aufhebung der Lebenspartnerschaft. Im Folgenden beziehen sich Ausführungen bezüglich der Ehegatten immer auch auf Lebenspartner nach dem LPartG und auf die "Ehepartner gleichen Geschlechts" (Rz. 11).

Der Tarif des § 32a EStG gilt uneingeschränkt nur für unbeschränkt ESt-Pflichtige. Für beschr. ESt-Pflichtige erfolgt eine Veranlagung ohne Berücksichtigung des Grundfreibetrags und des Ehegattensplittings (§ 50 Abs. 1 S. 3 EStG). Das Ehegattensplitting setzt unbeschr. ESt-Pflicht beider Ehegatten voraus. Die unterschiedliche Behandlung unbeschränkt und beschr. ESt-Pflicht ist verfassungsrechtl. unbedenklich. Die unbeschränkte ESt-Pflicht kann sich aber auch aus § 1a EStG ergeben. Auch die in § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG vorgesehenen Grenzen sind ebenfalls verfassungsrechtlich und unionsrechtlich unbedenklich (§ 50 EStG Rz. 78ff.; siehe auch Rz. 7).[1]

1.2 Rechtsentwicklung

 

Rz. 2

Der ESt-Tarif ist in der Vergangenheit regelmäßig geändert worden. Tarife vor 1999 werden angesichts des Zeitablaufs nicht mehr dargestellt.

  • Ausgehend von der Entscheidung des BVerfG v. 25.9.1992[1] zum Existenzminimum (Rz. 5a; § 2 EStG Rz. 14) wurden durch das JStG 1996 v. 11.10.1995[2] die anzuwendenden Fassungen des Tarifs für die Vz 1996 bis 1999 neu geregelt.
  • Durch das JStG 1997 v. 20.12.1996[3] wurde die für den Vz 1997 vorgesehene Anhebung des Grundfreibetrags auf den Vz 1998 verschoben. Ab Vz 1996 bestanden vier Tarifzonen, die Nullzone bis zum Grundfreibetrag, die untere und obere Progressionszone und die Proportionalzone.
  • Für die Änderung der Tarife ab Vz 1999 vgl. Rz. 10.

1.3 Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 3

Die Vorschrift über den ESt-Tarif ist "das Kernstück des Einkommensteuerrechts".[1] Vorbehaltlich der Sonderregelungen zum Progressionsvorbehalt in § 32b EStG, zur Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen in § 32d EStG und zur Besteuerung bestimmter außerordentlicher bzw. weiterer Einkünfte in den §§ 34ff. EStG ergibt sich erst durch die Zuordnung der im Tarif festgelegten Steuersätze zur Bemessungsgrundlage des zu versteuernden Einkommens die Höhe der steuerlichen Belastung. Strebt der Gesetzgeber Änderungen der steuerlichen Belastung an, kann er dieses Ziel bei unveränderter Bemessungsgrundlage am einfachsten mit der Änderung des ESt-Tarifs erreichen.

 

Rz. 4

Die Gestaltung des ESt-Tarifs richtet sich in erster Linie danach, welche Einnahmen die öffentliche Hand glaubt erzielen zu wollen und zu müssen. Bei der ESt liegt die konkrete Ausgestaltung des Tarifs grundsätzlich im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers. Die Höhe des Tarifs ist eine politische Entscheidung, die sich in weitem Rahmen der gerichtlichen Kontrolle entzieht[2], soweit auch im oberen Bereich den Stpfl. nach Abzug der Steuerbelastung ein – absolut und im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen betrachtet – hohes frei verfügbares Einkommen verbleibt, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar macht.[3] Die Höhe der Steuer wird dabei nicht allein durch den Tarif bestimmt, sondern im Zusammenhang aus Bemessungsgrundlage und Steuersatz.[4] In seiner Entscheidung zur VSt[5] hatte das BVerfG die VSt zur Sollertragsteuer erklärt und verlangt, dass die Gesamtbelastung des Sollertrags aus VSt und ESt "in der Nähe der hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand" verbleiben müsse. Folgt man dem BVerfG, wäre der Einwand der "50 %-Grenze" bereits bei der ESt zu berücksichtigen.[6] Es ist aber anerkannt, dass die Aussage zur hälftigen Teilung, die nach der zu beurteilenden Frage gar nicht entscheidungserheblich war, diesen Aussagewert nicht hat und dass der Entscheidung keine absolute Obergrenze zu entnehmen ist.[7] Der BFH hat daher eine Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes auf Ertragsteuern abgelehnt und eine Belastung mit ESt und GewSt von insgesamt rd. 60 % nicht als verfassungswidrig angesehen.[8] Der BFH hat auf eine Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG verzichtet, da er zutreffend ausgeführt hat, weder Art. 14 Abs. 1 und 2 GG noch aus Art. 3 Abs. 1 GG sei zu entnehmen, dass Steuern...

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