Rz. 60

Der Begriff der Berufsausbildung deckt sich mit dem Begriff in § 33a EStG[1], ist aber zugunsten des Kindergeldberechtigten weiter als der Begriff der Berufsausbildung i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG[2], der in Ausbildungskosten[3] und Fortbildungskosten[4] trennt. Ab 2012 ist für das Kindergeld zu unterscheiden zwischen einer ersten Berufsausbildung, die abgeschlossen sein muss, und weiteren Berufsausbildungsmaßnahmen, die nur noch dann begünstigt sind, wenn das Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht (Rz. 84).

Die Differenzierung zwischen erstmaliger Berufsausbildung und weiteren Ausbildungsmaßnahmen hielt der Gesetzgeber für erforderlich, nachdem es ab 2012 bei einer ersten Berufsausbildung nicht mehr auf die erzielten Einkünfte des Kindes ankommt. Denn i. d. R. wird ein Kind nach Abschluss einer ersten Ausbildung in der Lage sein, sich selbst zu unterhalten. Dadurch sind die Eltern nicht mehr durch den Unterhalt des Kinders in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Anders ist es dann, wenn das Kind eine weitere Ausbildung beginnt und keiner (schädlichen) Erwerbstätigkeit nachgeht und die Eltern durch Unterhaltszahlungen in ihrer Leistungsfähigkeit gemindert sind.[5]

Eine Einschränkung des Begriffs Berufsausbildung sollte durch die Neuregelung allerdings nicht erfolgen.[6] Damit befindet sich in Berufsausbildung, d. h. in der Ausbildung zu einem künftigen Beruf, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet.[7] Eine Ausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird i. d. R. mit einer Prüfung abgeschlossen. Die Berufsausbildung umfasst aber nicht nur Ausbildungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um die Mindestvoraussetzungen für die Ausübung des gewählten Berufs zu erfüllen, sondern auch solche, die geeignet sind, die berufliche Stellung des Kindes zu verbessern. Danach kann sich ein Kind auch dann in Berufsausbildung befinden, wenn es nach erfolgreicher Absolvierung einer zur Berufsausübung berechtigenden Ausbildung zusätzliche Qualifikationen erwirbt, sofern diese als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind und das Kind seine Weiterqualifizierung ernsthaft und nachhaltig betreibt.

 

Rz. 61

Zur Berufsausbildung gehört zum einen bereits der Besuch von allgemeinbildenden Schulen (Grund-, Haupt-, Oberschule, Gymnasium), außerdem der Besuch von berufsbildenden Schulen wie Fachschulen und Hochschulen.[8] Anders als etwa bei einem Au-Pair hängt die Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht nicht mit einer Mindestunterrichtszeit zusammen.[9] Auch der Besuch von Schulen im Ausland rechnet zur Berufsausbildung, sofern die Ausbildung dort ernsthaft betrieben wird.[10] Weiterhin gehört dazu die Ausbildung[11] zu einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf nach § 25 BBiG. Da die Berufsfreiheit aber nicht nur Berufe mit staatlich fixierten Berufsbildern schützt, sondern jede Berufstätigkeit[12], muss zur Sicherung der Gleichbehandlung auch die steuerliche Förderung von einem weiteren Begriff des Berufs ausgehen.[13] Die angestrebte Tätigkeit muss daher nicht einem bestimmten Berufsbild entsprechen. Bei einem behinderten Kind ist deshalb eine Berufsausbildung auch dann anzunehmen, wenn es durch gezielte Maßnahmen, z. B. ein Arbeitstraining, auf eine – wenn auch einfache – Erwerbstätigkeit vorbereitet wird.[14]

 

Rz. 62

Auch alle praktischen Vorbereitungen auf einen Beruf, wie z. B. als Praktikanten, Referendare, Volontäre, Beamtenanwärter u. Ä., fallen unter die Berufsausbildung.[15] Entscheidend ist, ob ausbildungsrelevante Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, auch wenn das Praktikum, Vorpraktikum o. Ä. nach der Ausbildungsordnung nicht vorgeschrieben ist. Denn es ist praktisch in allen Berufszweigen erforderlich, sich über das vorgeschriebene Maß hinaus Fähigkeiten und Kenntnisse anzueignen.[16] Bei der Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und Ausbildungsverhältnis ist entscheidend, ob die Vermittlung von Kenntnissen im Vordergrund steht. Das kann auch bei "learning by doing" im Rahmen eines "Trainee-Verhältnisses" gegeben sein. Eine bestimmte Mindestzeit einer normalen Berufstätigkeit (Berufspraxis) als Prüfungsvoraussetzung reicht aber nicht aus.[17]

Auch ein Sprachaufenthalt im Ausland, z. B. im Rahmen eines Au-Pair-Verhältnisses, kann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn begleitend ein theoretisch-systematischer Sprachunterricht von gewisser Intensität besucht wird.[18] Die Rspr. geht bei Au-Pair-Auslandsaufenthalten von einer Berufsausbildung aus, wenn wöchentlich mindestens 10 Unterrichtsstunden in der englischen Sprache absolviert werden.[19] Bei entsprechenden umfangreichen Vor- und Nacharbeiten usw. können auch weniger als 10 Unterrichtsstunden genügen.[20]

Ein Volontariat zur Erlangung einer weiteren Qualifikation rechnet zur Berufsausbildung, wenn der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht.[21] Entscheidend ist, ob die Bildungsmaßnahme für die Erreichung des konkret gewählten oder in Betracht gezogenen Beruf...

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