Rz. 11

§ 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erfasst Kinder kraft Verwandtschaft im ersten Grad. Maßgebend ist insoweit das Zivilrecht. Nach § 1589 S. 1 BGB sind die Personen in gerader Linie verwandt, die voneinander abstammen (z. B. Urgroßmutter, Großvater, Mutter, Sohn). Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten (§ 1589 S. 3 BGB). Im 1. Grad sind also nur Eltern und Kinder verwandt. Zwischen Großeltern und Enkelkindern besteht eine Verwandtschaft 2. Grades, sodass Großeltern den Kinderfreibetrag nicht aufgrund der Verwandtschaft, sondern nur bei einer Übertragung auf Antrag nach § 32 Abs. 6 S. 10 EStG (Rz. 137) oder, wenn ein Pflegekindverhältnis nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorliegt (Rz. 24), in Anspruch nehmen können. Die doppelte Erwähnung des Wortes "Kind" in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ist erforderlich, damit nicht Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern "Kinder i. S. d. Gesetzes" sein können.

 

Rz. 12

Kinder kraft Verwandtschaft sind entweder eheliche oder nichteheliche Kinder. Die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes wird ferner durch Adoption (§§ 1741ff. BGB) erlangt.

2.2.1.1 Rechtslage vor dem 1.7.1998

 

Rz. 13

Für die Zeit vor der Reform des Kindschaftsrechts zum 1.7.1998 galt Folgendes: Kinder kraft Verwandtschaft 1. Grades sind eheliche, nichteheliche und für ehelich erklärte Kinder. Ob ein Kind ehelich und welcher Ehe der Mutter es zuzurechnen ist, wenn die Mutter nacheinander mehrfach verheiratet war, wurde durch §§ 1591, 1600 BGB a. F. bestimmt. Bei Kindern, die nach § 1591 BGB a. F. (Geburt nach Eheschließung) als ehelich gelten, kann das FA selbst bei offensichtlichen Zweifeln (etwa aufgrund der Hautfarbe) die Verwandtschaft nicht überprüfen (§ 1593 BGB a. F.). Auch Kinder aus nichtigen, angefochtenen und geschiedenen Ehen sind eheliche Kinder.

 

Rz. 14

Durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder v. 19.8.1969[1] wurde auch das nichteheliche Kind (§§ 1600a ff. BGB a. F.) mit seinem Erzeuger verwandt. Die Vaterschaft wird durch Anerkennung oder durch gerichtliche Feststellung rechtsgültig (§§ 1600a ff. BGB a. F.). Die Rechtsakte, die dem nichtehelichen Kind die Stellung eines ehelichen Kindes verschaffen (§ 1719 BGB a. F.: Legitimation durch nachfolgende Ehe; § 1736 BGB a. F.: Ehelicherklärung auf Antrag des Vaters; § 1740a BGB a. F.: Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes), führen nicht erst die Eigenschaft als Kind kraft Verwandtschaft herbei. Dieser Status besteht vielmehr auch schon vorher. Derartige Akte begründen die Kindeigenschaft ausnahmsweise aber dann, wenn durch den Staatsakt die Wirkungen der Legitimation aus Gründen der Rechtssicherheit auch dann eintreten, wenn die erforderliche Blutsverwandtschaft fehlt (§§ 1735, 1740a Abs. 2 BGB a. F.).

[1] NEhelG, BGBl I 1969, 1243.

2.2.1.2 Rechtslage ab dem 1.7.1998

 

Rz. 15

Ab dem 1.7.1998 gilt das neue Kindschaftsrecht.[1] Danach sind eheliche und nichteheliche Kinder weitgehend gleichgestellt. Die Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat (§ 1591 BGB); dies gilt auch im Fall einer Leihmutterschaft. Vater ist, wer z. Zt. der Geburt mit der Mutter verheiratet war, die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft nach § 1600d BGB gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 BGB). Die Existenz des Kindes sowie die Vaterschaft sind durch amtliche Dokumente nachzuweisen.[2]

Die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft wirkt zivilrechtlich auf die Geburt des Kindes zurück, sodass der bisherige Scheinvater rückwirkend auch nicht zum Unterhalt verpflichtet ist. Ebenso wirkt die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft zivilrechtlich rechtsgestaltend auf den Zeitpunkt der Geburt zurück. Der nachträglich festgestellte Vater ist daher dem Kind gegenüber von der Geburt an zum Unterhalt verpflichtet und zivilrechtlichen Regressforderungen des Scheinvaters ausgesetzt. Dementsprechend wirkt die Vaterschaftsfeststellung bzw. das Anerkenntnis auch für die Kind bedingten Steuervorteile und das Kindergeld zurück.[3] Der Scheinvater verliert rückwirkend die Kind bedingten Vorteile; das Kindergeld ist von ihm zurückzufordern. Die Vaterschaftsfeststellung bzw. das Anerkenntnis ist ein rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Im Billigkeitswege (§§ 163, 227 AO) sollte jedoch berücksichtigt werden, dass die Leistungsfähigkeit des Scheinvaters tatsächlich gemindert war und Ersatzansprüche die Leistungsfähigkeit lediglich im Zeitpunkt der Erfüllung steigern.[4]

[1] G. v. 16.12.1997, BGBl I 1997, 2942.
[2] A 10.1 DA-KG 2016.
[3] BFH v. 28.7.2005, III R 68/04, BFH/NV 2006, 202; Helmke, in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, § 32 EStG Rz. 7.
[4] Loeschelder, in Schmidt, EStG, 2016, § 32 EStG Rz. 10.

2.2.1.3 Rechtslage ab dem 1.8.2001

 

Rz. 15a

Bei eingetragenen Lebenspartnerschaften gilt ab 1.8.2001[1], dass die Verwandten eines Lebenspartners als mit dem anderen Lebenspartner verschwägert gelten. Damit gelten Kinder eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners als mit dem gleichgeschlechtlichen Lebenspartner ihrer Mutter oder ihres Vaters nur als verschwägert. Bei ihnen sind die Voraussetzungen des § 32 Abs...

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