Rz. 37

Über den Pragmatismus (Rz. 16) hinaus hat sich zur Entwicklung eines gemeinsamen Einkommensbegriffs die Erkenntnis durchgesetzt, dass Einkommen das Ergebnis einer entgeltlichen Teilnahme durch Verwertung von Leistungen am Markt darstellt.[1] Nicht steuerbar sind damit nicht am Markt erzielte Vermögenszuwächse wie Schenkungen, Erwerb von Todes wegen, Transferleistungen des Staates oder Lottogewinne u. ä. Einkommen ist damit das "durch wirtschaftliche Tätigkeit Hinzuerworbene".[2] Diese Definition passt problemlos auf die Gewinneinkünfte. Gemeinsames Merkmal dieser Einkünfte ist eine Tätigkeit, die sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr mit Gewinnerzielungsabsicht darstellt. Dies gilt aber gleichermaßen für die Überschusseinkünfte, wenn auch die Tätigkeit als solche bei den Einkunftsarten Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung gegenüber der Überlassung von Kapital oder Vermögen in den Hintergrund tritt. Die Abgrenzung Gewinneinkünfte versus Überschusseinkünfte erfolgt anhand des (ungeschriebenen) Merkmals Vermögensverwaltung. Hieraus ist abzuleiten, dass Einkommen die Einkünfte erfasst, die in der Absicht, einen Überschuss der Einnahmen über die Aufwendungen zu erzielen, am Markt erwirtschaftet werden.[3] Unabdingbar ist bisher aber, dass die Einkünfte im Rahmen einer der 7 Einkunftsarten (Rz. 22ff.) erzielt werden. Die Betätigung als solche ist nicht steuerbar. Tätigkeiten außerhalb einer Einkunftsart können nicht steuerbar sein.

 

Rz. 38

Eine so verstandene Markteinkommenstheorie dient der Abgrenzung der Einkünfte von den nicht steuerbaren Vermögenszuwächsen, der Zurechnung der Einkünfte und der grundsätzlichen Erfassung nur von realisierten Gewinnen.[4] Die Markteinkommenstheorie ist aber lediglich Bestandteil des einfachgesetzlichen EStG, ist Strukturmerkmal des EStG und daher Auslegungsregel im Zweifelsfall, kann aber dem Markteinkommensbegriff keinen verfassungsrechtlichen Rang begründen.[5]Kirchhof sieht die Markteinkommenstheorie als Legitimationsgrundlage für Gegenstand und Ausgestaltung der ESt an, d. h. für den § 2 EStG, sodass kraft Verfassungsrecht nur die Einnahmen stpfl. sind, die durch Teilnahme am Markt erzielt werden.[6]

[1] Grundlegend Ruppe, DStJG Bd. 1 1979, 16.
[2] Jakob, ESt, § 1 Rz. 3.
[3] Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 52; Handzik/Hellwig, in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 2 EStG Rz. 27; ähnlich Lang, Reformentwurf, 32; Die Bemessungsgrundlage, 18f.; vgl. auch Kirchhof, Entwurf eines EStGB, § 2 Abs. 2 EStG: Einkünfte sind die Einkünfte des Stpfl. aus Erwerbshandeln; Abs. 3 S. 2: Erwerbshandeln ist die Nutzung von Arbeitskraft und Erwerbsgrundlagen zur Erzielung von Einkünften am Markt, Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 2018, § 2 EStG Rz. 3: Die sog. Markteinkommenstheorie findet im Gesetz keine Stütze; Ratschow, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 2 EStG Rz. 45: Markteinkommenstheorie trägt dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht ausreichend Rechnung; Kilincsoy/Marx, StuW 2019, 36.
[4] Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 52.
[5] So aber Kirchhof, in Kirchhof/Söhn, EStG, § 2 EStG Rz. A 363, 365; Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag, München 1988, 16f., 20f.
[6] Hiergegen zutreffend insbesondere Tipke, Steuerrechtsordnung II, 558ff.; auch Handzik/Hellwig, in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 2 EStG Rz. 27.

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