Rz. 9

Das BVerfG misst die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Steuergesetzen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sind. Hieraus folgt, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Dies gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen.[1] Dabei ergeben sich für den Gesetzgeber je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an die Verhältnismäßigkeit reichen. Für die Anforderung an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen ist entscheidend, in wieweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Diese Voraussetzungen können nicht abstrakt und allgemein, sondern nur anhand des betroffenen Einzelfalls bestimmt werden.[2]

Das BVerfG gewährt dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (Rz. 26), der aber im Einkommensteuerrecht durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt ist:

  • durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und
  • durch das Gebot der Folgerichtigkeit.

Hieraus folgt, dass Stpfl. bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern sind (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Bei der Bestimmung des Tarifs hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, soweit auch im oberen Bereich den Stpfl. nach Abzug der Steuerbelastung ein – absolut und im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen betrachtet – hohes, frei verfügbares Einkommen verbleibt, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar macht.[3]

Zum sog. Halbteilungsgrundsatz und zur Verfassungsmäßigkeit des Tarifs vgl. § 32a EStG Rz. 4ff.

Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig i. S. d. Belastungsgleichheit umgesetzt werden, sodass Ausnahmen hiervon eines besonderen sachlichen Grundes bedürfen. Als anzuerkennende Ausnahmen kommen außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse in Betracht, nicht aber der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung.

Ferner ist bei der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, ob es sich bei den Aufwendungen um freie und beliebige Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits handelt.[4]

In der Entscheidung des BVerfG zur Pendlerpauschale[5] hat das BVerfG die Verfassungswidrigkeit der Kürzung der Pendlerpauschale mit der mangelnden Folgerichtigkeit begründet.[6] Auf gleicher Linie liegt die Entscheidung des BVerfG zur doppelten Haushaltsführung in den Fällen der Kettenabordnung.[7]

Das für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht bestimmende Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit wird durch den Gesetzgeber durch das objektive und subjektive Nettoprinzip bestimmt (§ 2 Abs. 2 EStG).

2.2.1.1 Objektives Nettoprinzip

 

Rz. 10

Aus dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit leitet sich das sog. Nettoprinzip ab. Nach § 2 Abs. 1 EStG unterliegen Einkünfte der ESt. Der Begriff der Einkünfte ist nach § 2 Abs. 2 EStG ein Nettobegriff, er setzt bereits eine Rechenoperation voraus, bei der steuerbare Einnahmen um Erwe...

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