2.1 Begriff

 

Rz. 2

Schichtarbeit liegt vor, wenn eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die wirkliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus erfüllt und daher von mehreren Arbeitnehmern (oder Arbeitnehmergruppen) in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit, erbracht wird.[1]

 

Rz. 3

Dabei kann unterschieden werden in Schichtarbeit in Wechselschicht und ständiger Schichtarbeit. Bei einem ständigen Schichtsystem haben die einzelnen Arbeitnehmer immer dieselbe Schicht.[2] Die Arbeitsaufgabe wird dann zwar auch von verschiedenen Arbeitnehmern ausgeführt, aber sie arbeiten immer zur selben Zeit.

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer hat immer Frühschicht, ein anderer übernimmt immer die Spät- und ein weiterer stets die Nachtschicht.

Bei Schichtarbeit im Wechselsystem rotiert die Schichtenfolge. Das prägende Merkmal ist daher, dass Beginn und Ende der Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer regelmäßig wechseln.[3]

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer arbeitet dann in Wechselschicht, wenn er beispielsweise eine Woche Nachtschicht, dann eine Woche Frühschicht und im Anschluss eine Woche Spätschicht hat.

 

Rz. 4

Schichtarbeitnehmer sind nach Artikel 2 Nr. 6 der RL 2003/88/EG Arbeitnehmer, die in einem Schichtarbeitsplan eingesetzt werden. Da im Arbeitszeitgesetz der Begriff des Schichtarbeitnehmers nicht definiert ist, ist er danach zu bestimmen, wer Schichtarbeit im Sinne des durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsatzes erbringt.[4]

[2] Baeck/Deutsch, § 6 ArbZG, Rz. 65.
[4] Baeck/Deutsch, § 6 ArbZG, Rz. 14.

2.2 Sondervorschriften für Festlegung der Arbeitszeit

 

Rz. 5

Für Schichtarbeitnehmer gilt nach § 6 Abs. 1, dass ihre Arbeitszeit nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeitszeit festzulegen ist.

2.2.1 Gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse

 

Rz. 6

Gesichert sind Erkenntnisse dann, wenn sie empirisch abgesichert sind und nach dem derzeitigen Stand der Arbeitswissenschaft bei den Fachleuten allgemein Anerkennung gefunden haben.[1]

 

Rz. 7

Die Erkenntnisse müssen außerdem aus dem Bereich der Arbeitswissenschaften stammen. Die Arbeitswissenschaft ist dabei keine einzelne Disziplin, sondern erfasst diverse Wissenschaften, die sich aus unterschiedlichen Gesichtspunkten mit der menschlichen Arbeit befassen.[2] Dazu zählen insbesondere die Arbeitsmedizin, die Arbeitspsychologie, die Arbeitsphysiologie, die Arbeitstechnologie, die Betriebssoziologie, die Ergonomie und die Wirtschaftswissenschaften.[3] Verstanden wird darunter nach heute anerkannter Definition das systematische Analysieren, Ordnen und Gestalten der technischen, organisatorischen und sozialen Bedingungen von Arbeitsprozessen. Ziel dessen ist, dass die Arbeitnehmer schädigungslose, ausführbare, erträgliche und beeinträchtigungsfreie Arbeitsbedingungen vorfinden, die Standards sozialer Angemessenheit erfüllt sind und sie ihre Persönlichkeit und Handlungsspielräume entfalten und entwickeln können.[4]

 

Rz. 8

Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW (MAIS) hat im Rahmen seiner Verpflichtung zur Beratung der Arbeitgeber über die Anwendung von Arbeitsschutzvorschriften nach § 21 Abs. 1 ArbSchG, zu denen auch die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes gehören, einen Durchführungserlass zum Arbeitszeitgesetz veröffentlicht.[5] In diesem wurden die wesentlichen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse wie folgt zusammengefasst:

 
Hinweis

Auszüge aus dem Durchführungserlass NRW zu den wesentlichen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen

  • Die Anpassung der biologischen Körperrhythmen (z. B. Schlaf-Wach-Rhythmus, Verdauung) an Nachtarbeit gelingt selbst bei vielen Nachtschichten hintereinander nur teilweise. Bislang gibt es keine wissenschaftlich belegte Methode (z. B. helles Licht während der Nachtschicht) oder Medikamente, diese Anpassung annähernd vollständig zu erreichen. Allgemein erhöht Schichtarbeit unter Einbezug von Nachtarbeit das Risiko für Schlafstörungen, Störungen des Verdauungsapparates, Appetitlosigkeit, Herz-Kreislauf-Beschwerden, psychovegetative Beschwerden, innere Unruhe, Nervosität, familiäre Beeinträchtigungen für die direkt betroffenen Schichtarbeitenden selbst und für die indirekt betroffenen Familienmitglieder, z. B. schlechtere Schulleistungen der Kinder, Beeinträchtigungen der sozialen Teilhabe, z. B. soziale Kontakte und Aktivitäten.
  • Mit zunehmender Anzahl aufeinanderfolgender Nachtschichten steigt das Risiko für ein sich anhäufendes Schlafdefizit und Müdigkeit, Fehlleistungen und Unfälle.
  • Mit zunehmender Anzahl aufeinanderfolgender Frühschichten mit frühem Beginn steigt das Risiko für ein sich anhäufendes Schlafdefizit (kurze Nachtschlafzeit) und Müdigkeit während der Frühschicht.
  • Dauernachtarbeit erhöht in besonderem Maße das Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen. Dauerspätschichten, Dauernachtschichten und regelmäßige Arbeit am Wochenende erhöhen in besonderem Ma...

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