Rz. 19

Unter Rufbereitschaft wird nach ständiger Rechtsprechung die Verpflichtung des Arbeitnehmers verstanden, sich zu Hause oder an einem anderen Ort seiner Wahl bereitzuhalten, um auf Anforderung des Arbeitgebers die Arbeit zeitnah aufnehmen zu können. Erforderlich ist es, dass der Arbeitnehmer seine ständige Erreichbarkeit sicherstellt.[1]

Die vom BAG übernommene Rechtsprechung des EuGH geht hier davon aus, dass Rufbereitschaft dann Arbeitszeit darstellt, wenn unter einer Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der zur Verfügung stehenden Zeit zur Wiederaufnahme der Arbeit ab Benachrichtigung sowie der durchschnittlichen Häufigkeit der tatsächlich anfallenden Einsätze während der Bereitschaftszeit, objektiv erhebliche Beeinträchtigungen der Freizeitgestaltungs- und Interessenwidmungsmöglichkeiten aufgrund der "auferlegten" Einschränkungen vorliegen. Sonstige äußere Umständen wie Rufbereitschaftseinsätze an abgelegeneren Orten/weit entfernt vom Wohnort, spielen keine Rolle, wenn dies der gewöhnliche Ort des Arbeitsplatzes ist.

Erreichen die auferlegten Einschränkungen damit nicht eine bestimmte Intensität, ist nur die tatsächlich geleistete Arbeit als Arbeitszeit einzuordnen. Nicht zur Arbeitszeit zählen zudem Wegezeiten zur Einsatzstelle bei Abruf in der Rufbereitschaft.[2]

Außerdem hat der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort so zu wählen, dass dieser nicht mit dem Zweck der Rufbereitschaft kollidiert, etwa durch zu große Distanzen, die eine alsbaldige Arbeitsaufnahme verhindern.[3]

Eine zeitliche Vorgabe des Arbeitgebers zur Aufnahme der Arbeit darf allerdings nicht zu einer faktischen Festlegung des Aufenthaltsortes durch den Arbeitgeber führen, was die Rechtsprechung bei einer Vorgabe von 20 Minuten annimmt.[4] Ein Zeitraum von 25-30 Minuten wurde vom BAG jedoch ebenfalls schon als der Rufbereitschaft nicht entgegenstehend beurteilt.[5]

Der EuGH ist der Ansicht, dass Arbeitszeit vorliegt, wenn sich ein Arbeitnehmer zwar zuhause aufhalten darf (und muss), jedoch innerhalb von 8 Minuten am Arbeitsplatz zur Arbeitsaufnahme erscheinen muss. Eine Bereitschaftszeit, in der der Arbeitnehmer innerhalb weniger Minuten die Arbeit aufnehmen muss, hindert den Arbeitnehmer an einer auch nur kurzzeitigen Planung von Freizeitaktivitäten, sodass diese grundsätzlich vollumfänglich als Arbeitszeit angesehen wird. So kann gegebenenfalls auch eine Reaktionszeit von lediglich 10 Minuten als Rufbereitschaft eingeordnet werden.[6]

Auch hier ist jedoch grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere die durchschnittliche Häufigkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Bereitschaftszeiten sowie der Spielraum zur Freizeitgestaltung und die Dauer der Einsätze zu berücksichtigen.[7]

Richtschnur für die Häufigkeit der Einsätze ist, dass der Arbeitnehmer jedenfalls bei 6-7 Einsätzen pro Jahr einer nur geringen Einschränkung unterworfen ist, da er regelmäßig nicht damit zu rechnen braucht, während der Rufbereitschaft tatsächlich den Ruf zum Einsatz zu erhalten.[8]

Auch sind begleitende Umstände und Erschwernisse wie das Mitführen/Anziehen von spezieller Ausrüstung, aber auch Erleichterungen wie Sonderrechte zu berücksichtigen.[9]

 

Rz. 20

 
Praxis-Beispiel

Techniker in Rufbereitschaft

Techniker, die am Wochenende über Mobiltelefon erreichbar sind, um Kunden bei der Lösung etwaiger Probleme zu helfen, aber in ihrer Ortswahl frei sind, solange sie ihren Arbeitsplatz innerhalb einer gewissen, nicht zu kurz bemessenen Zeitspanne bei Bedarf erreichen können. Wird die Ruhezeit durch einen Einsatz unterbrochen, liegt Arbeitszeit vor.

 

Rz. 21

 
Praxis-Beispiel

Piloten/Flugpersonal

Piloten und Kabinenbesatzung leisten oft Rufbereitschaft, in der sie innerhalb einer bestimmten, nicht zu kurzen Zeit an einem bestimmten Flughafen sein müssen, um Kollegen, die krank sind oder aus anderen Gründen verhindert sind, ersetzen zu können. Diese Rufbereitschaft gilt als Ruhezeit, solange kein konkreter Einsatz erfolgt.

 

Rz. 22

Unabhängig von der Einordnung der Rufbereitschaft als Ruhezeit i. S. d. ArbZG, ist ihre Vergütungspflicht zu beurteilen, die sich analog zur Vergütungspflicht des Bereitschaftsdienstes verhält. Der Arbeitnehmer erbringt auch während der Rufbereitschaft eine Leistung gemäß dem Arbeitsvertrag. Die Rufbereitschaft kann also dem arbeitsvertraglichen Begriff der Arbeitszeit durchaus zugeordnet werden. Aufgrund der geringeren Belastung gegenüber der Vollarbeit kann aber auch hier eine geringere Vergütung gerechtfertigt sein.[10]

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