Das Thema "Scheinselbstständigkeit" könnte neue Aktualität erlangen. Laut einem Bericht hat die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY)[1] in einer Befragung von 400 Unternehmen und 2.455 Erwerbstätigen ermittelt, dass 28 % der Selbstständigen (mehr als 1,2 Mio.) nur scheinselbstständig sind. Die am meisten betroffenen Branchen sind die Bau- und Immobilienbranche (zu 60 %) sowie der Bereich IT/Telekommunikation (zu 43 %).

Folgende Probleme können sich ergeben:

  • Vertragsrecht: Freier Mitarbeiter oder Arbeitnehmer?
  • Sozialversicherungsrecht: Sozialversicherungspflichtige Tätigkeit?
  • Steuerrecht: Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers?

Sozialversicherungsrecht

Die vorstehenden Ausführungen zur Abgrenzung des Arbeitnehmers vom freien Mitarbeiter gelten ausschließlich für das Arbeitsrecht. Im Sozialversicherungsrecht gilt ein eigener Maßstab mit eigenen Abgrenzungskriterien, die sich zwar zu einem großen Teil überschneiden, aber nicht decken. § 7 Abs. 1 SGB IV definiert den sozialrechtlichen Begriff der "Beschäftigung". Er ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Versicherungspflicht etwa in der Arbeitslosenversicherung, der Krankenversicherung oder der Pflegeversicherung. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist sozialversicherungspflichtige Beschäftigung die "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". Anhaltspunkte dafür sind eine "Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers".

Soweit der freie Mitarbeiter nicht "Beschäftigter" i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV ist, fallen für den Dienstgeber keine Sozialversicherungsbeiträge an. Möglich ist dann ggf. eine Rentenversicherungspflicht nach § 2 Nr. 9 SGB VI, wobei der freie Mitarbeiter als sog. arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger die Beiträge alleine aufbringen muss.

§ 2 Nr. 9 SGB VI statuiert für Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung.

Anfrageverfahren

Im Zweifelsfall ist zu empfehlen, von der Möglichkeit des sog. Anfrageverfahrens Gebrauch zu machen, und zwar möglichst rechtzeitig vor Beginn der Zusammenarbeit mit dem freien Mitarbeiter. Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten – Dienstberechtigter und Mitarbeiter – gemeinsam oder getrennt – schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung im Sinne des SGB vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Nach § 7a Abs. 2 SGB IV entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls, ob eine Beschäftigung vorliegt.

Ein besonderes – z. T. obligatorisches – Statusfeststellungsverfahren gibt es für die Beschäftigung von Ehegatten/Lebenspartnern und Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH.

Steuerrecht

In einem Verfahren über Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers hat der BFH[2] entschieden: Ein bei Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Lohnsteuer-Haftungsschuldner beachtlicher entschuldbarer Rechtsirrtum des Arbeitgebers liegt regelmäßig nicht vor, wenn dieser die Möglichkeit der Anrufungsauskunft[3] hat, davon jedoch keinen Gebrauch macht.

[1] NZA 3/2016, S. XII.
[2] BFH, Urteil v. 29.5.2008, VI R 11/07, NZA-RR 2008 S. 531.

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