Gemein ist den meisten Studien, auf denen die obigen Angaben basieren, dass sie auf ausgewählte Zusammenhänge fokussieren und so weder ein Gesamtbild noch wechselseitige Abhängigkeiten dargestellt werden. Im Einzelfall existieren diese doch, wie das folgende Beispiel verdeutlicht.

4.1 Mit Daten arbeiten: Flight Risk Score

Es wird empfohlen, eine Analyse des Austrittsrisikos durchzuführen. Dabei sollte die Bedeutung des Arbeitnehmers für das Unternehmen ins Verhältnis zum Fluktuationsgefährdungsgrad des Arbeitnehmers gestellt werden. Daraus können individuelle Maßnahmen zur Risikominderung abgeleitet und umgesetzt werden.

Am besten gelingt dies mithilfe von People Analytics. Dabei wird in Datensätzen von ehemaligen Mitarbeitenden, die das Unternehmen verlassen haben, nach Zusammenhängen und Clustern gesucht. Herangezogen werden möglichst viele Informationen aus der Vergangenheit, wie Alter, Dienstalter, Gehaltserhöhungen, Bonizahlungen, Versetzungen und Beförderungen, Weiterbildungstage, Abwesenheiten und mehr. Auch weitere Daten können wertvoll sein, wie Entfernung zum Wohnort, Unterhaltspflichten etc. Eine Auswertung erfolgt dabei nicht personenbezogen, sondern anonym und kumulativ. Daher ist dieser Schritt datenschutzrechtlich weitgehend unkritisch. Erst in einem zweiten Schritt werden erkannte Muster auf die aktiven Arbeitnehmenden angewendet. Es ergibt sich somit ein Bild, bei welchem Mitarbeitenden viele Faktoren zusammentreffen, die aus den Daten vergangener Fluktuationen ersichtlich wurden.

 
Praxis-Beispiel

Flight Risk Score

Das im Beispiel als Flight Risk Score benannte Fluktuationsrisiko jedes einzelnen Mitarbeiters wurde für einen großen Bereich mit einer Fluktuationsquote von rund 20 Prozent ermittelt. Bestreben war, diese zu senken, da infolge der spezialisierten Aufgaben hohe Wiederbesetzungskosten anzunehmen sind.

Es wurde ermittelt, dass Angestellte mit höheren Gehältern, kontinuierlicheren Gehaltserhöhungen und guten Leistungsbewertungen ein geringeres Fluktuationsrisiko hatten. Allerdings wirkten sich Beförderungen nur im Zusammenhang mit Gehaltserhöhungen positiv aus, ohne Gehaltserhöhungen dagegen jedoch sogar negativ. Wurde also jemand schnell entwickelt, ohne jedoch das Gehalt entsprechend nachzuziehen, erhöhte sich das Fluktuationsrisiko. Des Weiteren hatten Mitarbeiter, die an einer Jobrotation teilnahmen, eine geringere Neigung zu kündigen.

Auf Basis dieser Daten wurden die Führungskräfte für die relevanten Aspekte sensibilisiert und in der Linie entsprechend Änderungen angegangen. Parallel wurde kommuniziert, dass es eine zentrale Aufgabe ist, die Fluktuationsquote zu senken. Eine konkrete Konfrontation einzelner Personen mit ihrem Fluktuationsrisiko dagegen wurde vermieden. Es ist anzunehmen, dass dies die Wahrscheinlichkeit nicht reduziert hätte (sondern eher das Gegenteil).

4.2 Austrittsinterviews führen und nutzen

Häufig liegen viele Daten (noch) nicht in leicht verwertbarer Form vor. Datenschutzbeauftragte und betriebliche Mitbestimmung sehen das Unterfangen kritisch. Dann bleiben Einschätzungen von Experten, um sich auf generellen Erkenntnissen Fluktuationsrisiken Einzelner zu nähern. Insbesondere (aber nicht nur) dann sollten – ergänzend – wesentliche Gründe für arbeitnehmerseitige Kündigungen spätestens nach der Kündigungsentscheidung erfragt werden. Dies kann mittels Austrittsinterviews erfolgen. Dabei sollte nach dem Weggang etwas abgewartet werden, um emotionalen Abstand zu wahren. Zu viel Zeit darf dagegen auch nicht verstreichen, sonst werden Ehemalige kein Interesse mehr an einer Beteiligung haben. Es ist generell empfehlenswert, Kontakt zu halten, sofern die Zusammenarbeit und auch die Trennung im Guten geschah (Stichwort: Alumni-Programme).

Mit dem Austrittsinterview selbst kann man zwar den jeweiligen (Ex-)Mitarbeitenden nicht mehr zurückgewinnen, aber aus der Analyse der gesammelten Informationen für die Zukunft lernen.

Dazu sind systematisch Hintergründe der Kündigung sowie eine Einschätzung der Relevanz möglicher Faktoren, wie Tätigkeit, Entwicklungsmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen, Führung, Kollegenschaft etc. zu erfragen.

 
Praxis-Tipp

Austrittsinterviews führen (lassen)

Eine externe Durchführung kann die Bereitschaft zur offenen Auskunft erhöhen. Ein vertraulicher Umgang mit den Daten, die ihre Verwendung in kumulierten Auswertungen und Analysen finden, ist Basis im respektvollen Umgang miteinander.

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