Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Überlassung von zum Steuerabzug nach § 50a EStG verpflichtenden Know-how durch Beauftragung ausländischer Prüfärzte mit Medikamententests

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ausländische Prüfärzte, die im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt besitzen, sind nach § 1 Abs. 4 EStG mit ihren inländischen Einkünften i. S. d. § 49 EStG beschränkt steuerpflichtig. Bei ihrer auf Grundlage der sog. Finanzverträge durchgeführten Tätigkeit handelt es sich um eine selbstständige Berufstätigkeit als Ärzte i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

2. Die Durchführung klinischer Studien durch ausländische Prüfärzte und die Überlassung der Dokumentation der Ergebnisse an die inländischen Auftraggeber führt jedoch zu keiner dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG a. F. (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG 2009) unterliegenden Überlassung von Know-how.

 

Normenkette

EStG 2002 § 50a Abs. 4 Nr. 3, Abs. 5, §§ 50d, 49 Abs. 1 Nrn. 3, 9; EStG 2009 § 50a Abs. 1 Nr. 3

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom 19. Oktober 2010 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht als Haftungsschuldnerin für Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in Anspruch genommen worden ist, soweit sie Honorare an ausländische Prüfärzte gezahlt hat.

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand Marketing und Unternehmensberatung im Bereich der medizinischen Forschung ist. Die Klägerin wurde in den Streitjahren 2001 bis 2006 von Unternehmen der Pharmaindustrie (den sog. Sponsoren) beauftragt, sie bei der Durchführung klinischer Studien über bestimmte Medikamente zu unterstützen. Die Aufgabe der Klägerin bestand darin, Prüfärzte im Ausland zur Durchführung der Studien an Patienten zu rekrutieren und mit ihnen Verträge abzuschließen, die einer vom Sponsor zur Verfügung gestellten Vertragsvorlage zu entsprechen hatten. Die Abrechnung der Honorare mit den Prüfärzten erfolgte durch die Klägerin. Der Sponsor stellte der Klägerin das erforderliche Budget im Voraus zur Verfügung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den exemplarisch vorgelegten Vertrag zwischen der Klägerin und der X-AG, die in Auszügen deutscher Übersetzung vorgelegt wurde, Bezug genommen.

In den Streitjahren hat die Klägerin Prüfärzte in den Ländern Tschechien, Ungarn, Rumänien und der Ukraine mit der Durchführung der klinischen Studien im Auftrag jeweils eines Sponsors beauftragt. Die Aufträge beinhalteten die Durchführung von sog. Doppelblindstudien, bei denen an ausgewählte Patienten die Wirksamkeit von Medikamenten untersucht werden, indem ihnen Präparate verabreicht werden und weder der Prüfarzt noch der Patient darüber informiert sind, ob es sich im jeweiligen Fall um ein wirksames Medikament oder um ein Placebo handelte. Die Klägerin wählte die ausländischen Prüfärzte aus und schloss mit ihnen sog. Finanzverträge. Die Durchführung der klinischen Studien und sämtliche Verantwortlichkeiten des Prüfarztes sind jeweils in einem Prüfplan als wesentlicher Bestandteil des Finanzvertrages aufgeführt worden. Der Prüfarzt hatte die Studie unter Einhaltung des Prüfplans durchzuführen, eine vollständige auswertbare Dokumentation vorzunehmen und diese dem klinischen Monitor der Klägerin zu den festgesetzten Terminen zu übergeben. Über die Ergebnisse der Studie war bis zur Veröffentlichung strengste Vertraulichkeit zu wahren. Die in Verbindung mit der Studie bezogenen Daten und Ergebnisse sollten ausschließliches Eigentum des Sponsors sein. Der Prüfarzt verzichtete auf sämtliche Rechte an derartigen Daten und Ergebnissen. Vorgelegt wurden ein Finanzvertrag zwischen der Klägerin und Dr. G Ungarn sowie zwischen der Klägerin und Dr. S, Ukraine jeweils im englischen Original und in deutscher Übersetzung, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird. Nach Angabe der Klägerin sind sämtliche Verträge mit den Prüfärzten in den westlichen Teilen identisch. Unterschiede ergeben sich nur bei der Honorarhöhe und den durchzuführenden Arbeiten.

Die Klägerin zahlte den ausländischen Prüfungsärzten die vereinbarten Honorare aus, ohne den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG vorzunehmen. Freistellungsbescheinigungen des Bundesamts für Finanzen nach § 50d Abs. 2 EStG lagen der Klägerin nicht vor.

Das beklagte Finanzamt (das Finanzamt) erließ mit Datum vom 16. Januar 2007 einen Nachforderungsbescheid nach § 50a Abs. 5 EStG aufgrund des unterbliebenen Steuerabzugs und begründete dies damit, dass die ausländischen Prüfärzte mit den auf Grundlage der Finanzverträge gezahlten Honoraren nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG beschränkt steuerpflichtig seien. Auf diese Zahlungen hätte nach ...

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