rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus nichtselbstständiger Arbeit bei einem Scheinselbstständigen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ob ein Steuerpflichtiger mit einer bestimmten Betätigung Arbeitnehmer ist, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Arbeitnehmer ist ein offener Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann.

2. Wird regelmäßig am Ende eines Monats für den ganzen Monat abgerechnet und wird auch keine Schlussrechnung unter Anrechnung der Vorauszahlungen gestellt, ist dies ein Umstand der gegen das Vorliegen eines Werkvertrages spricht, denn der Werklohn wird erst nach Abnahme des Werkes fällig.

3. Wird in der Rechnung nur das einfache Produkt der geleisteten Arbeitsstunden und der vereinbarten Stundenvergütung ausgewiesen, spricht dies ebenfalls gegen einen Werkvertrag.

4. Verpflichtete sich der Kläger, 9 Stunden pro Tag und fünf Tage in der Woche an einem Bauvorhaben zu arbeiten, spricht dies für einen Arbeitsvertrag, denn ein Werkvertrag verlangt die Vereinbarung fest umrissener Leistungsgegenstände (d.h. ein oder mehrere gegenständlich erfassbare Arbeitsergebnisse) und nicht eine allgemeine, laufende Tätigkeit.

5. Wird eine Einsatzwechseltätigkeit ausgeübt, sind auch für die Fahrten von der Wohnung des Arbeitnehmers bis zum Betrieb des Arbeitgebers die normalen Reisekosten zu berücksichtigen; bei Vorliegen der entsprechenden Abwesenheitszeiten können auch Verpflegungsmehraufwendungen abgezogen werden.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 5, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5; LStDV § 1 Abs. 2-3; LStR 1993 Abschn. 39 Abs. 1-3; BGB §§ 631, 641

 

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1994 vom 6. Februar 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. November 2009 wird die Einkommensteuer auf 3.780,49 EUR herabgesetzt.

2. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1995 vom 7. März 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. November 2009 wird die Einkommensteuer auf 4.164,47 EUR herabgesetzt.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 75/100 und der Beklagte zu 25/100.

5. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt.

I.

Der Kläger hatte seit dem 1. Mai 1991 bis zum 30. November 1994 in [… R-Dorf] und danach bis zum 31. Juli 1995 in [… C-Dorf] bei [… B-Stadt] ein Einzelunternehmen der Gebäude- und Baureinigung angemeldet. In der Zeit von Januar 1993 bis Juli 1995 arbeitete der Kläger für die Firma [….] (im Folgenden: [… X-GmbH]) als Bauhelfer. Für seine erbrachten Leistungen stellte er an die X-GmbH Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis. Nach dem schriftlichen Subunternehmervertrag vom […] 1995 zwischen der X-GmbH und dem Kläger […] verpflichtete sich der Kläger 9 Stunden pro Tag und fünf Tage in der Woche zu arbeiten. Der Vertrag sah eine Kündigungsfrist von drei Monaten vor.

Der Kläger gab für die Jahre 1993 bis 1995 Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen ab und erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Beklagte – das Finanzamt (FA) – folgte den Angaben in der Einkommensteuererklärung 1994 zum großen Teil sowie für 1995 vollständig und berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden Gewinne aus Gewerbebetrieb für 1994 in Höhe von 43.463 DM (Steuerbescheide vom 2. Januar 1997 und vom 20. Februar 1997) und für 1995 in Höhe von 16.231 DM – darin ein laufender Gewinn von 24.294 DM und ein Übergangsverlust von 8.063 DM (Steuerbescheid vom 30. April 1997).

Im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen gegen die X-GmbH wegen des Verdachts der Beschäftigung einer Vielzahl von sogenannten Scheinselbstständigen vertrat der Steuerfahnder der Steuerfahndungsstelle (des Finanzamts […]) die Auffassung, dass auch der Kläger als Scheinselbstständiger von der X-GmbH beschäftigt worden sei, deshalb als Arbeitnehmer der X-GmbH zu behandeln sei und teilte dies dem Beklagten – dem FA – in einem Aktenvermerk mit. Der vom Kläger bezogene Bruttoarbeitslohn von der X-GmbH habe 73.002,53 DM für 1994 und 38.782,60 DM für 1995 betragen (Aktenvermerk vom 30. November 1999).

Das FA führte deshalb beim Kläger eine abgekürzte steuerliche Außenprüfung für die Jahre 1993 bis 1995 aufgrund der Prüfungsanordnung vom 11. Mai 2000 durch. Der Prüfer der Betriebsnahen Veranlagung (BNV) des FA vertrat – neben anderen zwischen den Beteiligten nicht mehr streitigen Punkten – ebenfalls die Auffassung, dass der Kläger keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb sondern Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in den Jahren 1993 bis 1995 bezogen habe (Bericht über die Außenprüfung vom 31. Oktober 200...

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