Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslohn trotz eines zivilrechtlich unwirksamen Dienstverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Einnahmen i.S. des § 19 EStG setzen nicht zwingend das zivilrechtlich wirksame Bestehen eines Dienstverhältnisses i.S. des § 611 BGB zwischen dem Zahlenden und dem Zahlungsempfänger voraus.

2) Unter § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallen alle auf Leistungsaustausch gerichteten Beziehungen, die einen gleichgelagerten wirtschaftlichen Erfolg zeitigen wie ein Arbeitsverhältnis.

3) Zahlungen bleiben auch dann im Jahr des Zuflusses gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig, wenn das BAG nachfolgend feststellt, dass kein wirksames Arbeitsverhältnis (mehr) bestand; Rückzahlungen sind (erst) im Jahr der Rückzahlung als negative Einnahmen zu erfassen.

 

Normenkette

AO § 41 Abs. 1 S. 1; BGB § 611; EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die dem Kläger im Streitjahr zugeflossene Zahlung als Arbeitslohn steuerbar ist respektive inwieweit die in 2010 erfolgte Erstattung sich einkommensmindernd auswirkt.

Der Kläger war bis zum 30.10.2004 bei der H-Q NV & Co. KG (KG) angestellt. Den Teilbetrieb, in dem der Kläger beschäftigt war, übertrug die KG auf die H … GmbH (GmbH). Das gemäß § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf die GmbH übergehende Arbeitsverhältnis wurde zunächst zwischen dem Kläger und der GmbH fortgesetzt.

Mit Schreiben vom 17.11.2004 kündigte die GmbH das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Wirkung zum 30.6.2005 und sagte dem Kläger eine Abfindung zu. Als die GmbH jedoch am ….2005 einen Insolvenzantrag stellte, widersprach der Kläger mit Schreiben vom 14.6.2005 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die GmbH.

Im weiteren Verlauf stritt der Kläger mit der KG über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 1.11.2004 hinaus und verlangte Zahlung von Lohn für die Monate ab Juli 2005. Das Landesarbeitsgericht K verurteilte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des ArbG E die KG mit Teilurteil vom 1.8.2007 zur Zahlung von Lohn für die Monate Juli 2005 bis November 2006 zuzüglich einer Sondervergütung für 2005.

Für die Folgemonate (Dezember 2006 bis August 2007 sowie Sondervergütung 2006) folgte das Arbeitsgericht E mit Urteil vom 19.10.2007 dem Landesarbeitsgericht und verurteilte die KG entsprechend zur Zahlung rückständigen Gehalts.

Entsprechende Auszahlungen und Lohnabrechnungen wurden in 2007 durchgeführt. Im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung erklärten die Kläger daher Einnahmen i.H.v. 144.741,80 EUR, wovon ein Betrag i.H.v. 104.347,40 EUR auf Vorjahre (2005 und 2006) entfiel. Mit Bescheid vom 21.2.2008 und nach § 165 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom 29.01.2009 wurden die Kläger insoweit erklärungsgemäß veranlagt.

Auf die Revision der KG hob das Bundesarbeitsgericht (BAG) durch Teilurteil vom 22.4.2010 das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts K vom 1.8.2007 auf. Der Kläger habe das ihm grundsätzlich gemäß § 613a Abs. 6 BGB zustehende Widerspruchsrecht verwirkt. Das Arbeitsverhältnis sei mithin wirksam auf die GmbH übergegangen. Der Kläger zahlte daraufhin den im Jahr 2007 erhaltenen Lohn i.H.v. 144.741,80 EUR an die KG zurück.

Daraufhin beantragten die Kläger mit Schreiben vom 2.7.2010 die Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2007 unter Reduktion der dort besteuerten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um den zurückgezahlten Betrag i.H.v. 144.741,80 EUR. Der Beklagte lehnte die Änderung ab und verwies darauf, dass die Rückzahlung von Arbeitslohn im Jahr der Rückzahlung als negative Einnahmen zu berücksichtigen sei.

Nach erfolglosem Vorverfahren verfolgen die Kläger ihr Begehr im Klagewege weiter. Sie meinen, eine Versteuerung in 2007 könne nicht erfolgen. Die von der KG geleisteten Zahlungen seien in Ermangelung eines Dienstverhältnisses kein Arbeitslohn i.S. des § 19 EStG. Der Umstand, dass kein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe, sei erst im Jahr des BAG-Urteils (2010) bekannt geworden, sodass eine Änderung aufgrund von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht komme.

Die Kläger beantragen daher,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9.7.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.7.2010 zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid des Beklagten vom 21.2.2008, geändert durch den Bescheid vom 29.1.2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.6.2009 durch Reduktion der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 144.741,80 EUR zu ändern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt hierzu – wie bereits im vorangegangenen Antragsverfahren – die Auffassung, dass die Rückzahlung von Arbeitslohn im Jahr der Erstattung als negative Einnahmen zu berücksichtigen sei. Anders als die Kläger zunächst vorgetragen hätten, läge insoweit kein rückwirkendes Ereignis vor.

Auch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO komme – wenn überhaupt neue Tatsachen vorlägen – mangels Rechtserheblichkeit nicht in Betracht.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Able...

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