Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung und zur Wahrung der Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Wird im Zusammenhang mit einer öffentlichen Zustellung gem. § 15 VwZG a. F. nicht der Tag der Abnahme, sondern tatsächlich schon vor der Abnahme der Tag notiert, bis zu dem die öffentliche Benachrichtigung aushängen muss, so ist die öffentliche Zustellung mangels Abnahmevermerks unwirksam.

Jedenfalls wenn im Zusammenhang mit der Anzeige der Niederlegung des Mandats durch den bisherigen Steuerberater Hinweise auf den Ort des Aufenthalts des Steuerpflichtigen gegeben wurden, liegt es nahe, vor einer öffentlichen Zustellung den bisherigen Berater nach der genauen Anschrift des Steuerpflichtigen zu fragen. Dies gilt auch, wenn sich der Steuerpflichtige einem Strafverfahren durch Flucht ins Ausland entzogen hat.

§ 169 Abs. 1 Nr. 2 AO ist dahingehend auszulegen, dass die notwendige Dauer des Aushangs gem. § 15 VwZG a. F. zw. § 10 VwZG n. F. ohne Folgen für die Einhaltung der Festsetzungsfrist sein sollte mit der Maßgabe, dass es für die Einhaltung der Festsetzungsfrist genügt, wenn das Aushängen vor Ablauf der Frist erfolgt - sofern der Aushang nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die gesetzlich vorgesehene Dauer fortdauert und die übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen betreffend den Vermerk über die Abnahme erfüllt sind. Mittels der Regelung in § 169 Abs. 1 Satz 3 AO soll nicht die Wirksamkeitsvoraussetzungen der öffentlichen Zustellung im Übrigen verzichtet werden. Ebenso wenig sollen solche Verzögerungen für die Wahrung der Festsetzungsfrist unschädlich sein, die durch Verletzung von Wirksamkeitsvoraussetzungen der Bekanntgabe und deren notwendige Heilung verursacht werden.

 

Normenkette

AO §§ 122, 169; VwZG § 15 a.F.

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.08.2012; Aktenzeichen III R 46/10)

BFH (Urteil vom 30.08.2012; Aktenzeichen III R 46/10)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung von Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheiden 1990 - 1992 sowie um die Wahrung der Festsetzungsfrist.

Der Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Er betrieb in den Streitjahren verschiedene gewerbliche Betriebe in Hamburg. U. a. belieferte er als Großhändler Gastronomiebedarf an griechische Restaurants. Im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen griechische Gastronomen wegen Steuerhinterziehung aufgrund Verdachts von Schwarzeinnahmen und fehlender Verbuchung eines Teils des Wareneinkaufs geriet auch der Kläger in das Blickfeld der Ermittlungsbehörden. Gegen ihn wurde wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt und am 25.01.1996 ein Haftbefehl erlassen, der jedoch nicht vollstreckt werden konnte. Das Strafverfahren wurde im April 2005 wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung eingestellt. Die Staatsanwaltschaft teilte dies mit Schreiben vom 20.05.2005 dem seinerzeit im Ermittlungsverfahren für den Kläger tätigen Rechtsanwalt A mit (Anlage K5), der auch als Bevollmächtigter in 1996 bei dem beim Beklagten und dem Finanzamt Hamburg-1 geführten Verfahren wegen Haftung aufgetreten war (Anlagen K1 und K2). Am 16.12.1996 hatte inzwischen aufgrund Prüfungsanordnung vom 01.12.1996 u. a. wegen Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1990 - 1992 eine Betriebsprüfung im Unternehmen des Klägers begonnen, die am 21.08.2001 und mit Bericht vom 31.08.2001, später neu datiert auf 01.06.2005, abgeschlossen wurde (Betriebsprüfungsakte - BpA - Bl. 58 ff., 172 ff., Prüfungsanordnung BpA Bl. 40). Auf dieser Grundlage erließ der Beklagte, nachdem zunächst im Hinblick auf die Einschätzung mangelnder Einziehungsmöglichkeit nachzuzahlender Steuern von berichtigten Festsetzungen abgesehen worden war (Vermerke BpA Bl. 133 f., 145, 157, 160), am 15.06.2005 Änderungsbescheide gem. §§ 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO -Bescheide Anlagenband zur Gerichtsakte). Der Kläger war seinerzeit aufgrund Vollmacht vom 27.08.1991 (ausgestellt unter Angabe der Steuernummer .../.../..., Einkommensteuerakte - EStA - IV Bl. 117) von dem Steuerberater B vertreten, der gleichzeitig Zustellungsbevollmächtigter war. An den Steuerberater B war auch die Prüfungsanordnung vom 02.12.1996 gesandt worden. Aus Anlass eines gegen den Kläger gerichteten Arrestes fanden Gespräche an Amtsstelle unter Mitwirkung von Steuerberater B und dem Schwager des Klägers, C, statt, der nach Hinweis in dem Gesprächsvermerk vom 22.03.1996 (Vollstreckungsakte - VO - I Bl. 73) seinerzeit die Geschäfte des Klägers führte. Laut Gesprächsvermerk wurde der Aufenthalt des Klägers in Griechenland und die fehlende Auslieferungsmöglichkeit für ein hiesiges Strafverfahren erörtert, darüber hinaus von dem seinerzeitigen Verteidiger auf fehlende Vollstreckungsmöglichkeiten im Inland hingewiesen. Auch danach fanden Gespräche in Tilgungs- und Vollstreckungsfragen mit dem Schwager C - sowohl auf Initiative des Amtes als auch des Schwagers selbst - wenigstens bis September 1997 statt (Schriftverkehr VO I ...

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