Entscheidungsstichwort (Thema)

Betrieblich angebotene Vorsorgeuntersuchungen für krankenversicherte Arbeitnehmer als steuerpflichtiger Arbeitslohn

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Kostenübernahme für Vorsorgeuntersuchungen der leitenden Angestellten bei einem von dem Arbeitgeber ausgewählten Facharzt, der ihm anonymisierte Auswertungen über die Gesamtheit der Befunde mitteilt, stellt keine Gegenleistung für die Arbeitsleistung dar, sondern erfolgt im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse.
  2. Die Ausübung eines Zwangs zur Teilnahme an dem Untersuchungsprogramm ist kein notwendiges Kriterium für die Annahme eines vorrangigen Interesses des Arbeitgebers.
 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2007, 2008

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin angebotenen Vorsorgeuntersuchungen als Arbeitslohn ihrer Arbeitnehmer einzuordnen sind.

Die Klägerin bietet ihren leitenden Mitarbeitern (rund 180 Personen) seit 1993 in einem Zwei-Jahres-Turnus die kostenlose Teilnahme an ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen („Gesundheits-Check” bzw. „Manageruntersuchung”) an. Die Untersuchungen, die ein von der Klägerin ausgewählter niedergelassener Facharzt durchführt, dienen der Früherkennung insbesondere von Herz-, Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen sowie der Krebsvorsorge. Vorab erhalten die Adressaten eine Einladung zu einer Vortragsveranstaltung über Inhalte und Ziele der Untersuchung, da – so die Einladungstexte – dem Vorstand die Gesundheit der „Leitenden” am Herzen liege.

Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre 1999 bis 2004 behandelte der Prüfer die Aufwendungen der Klägerin zugunsten der einzelnen Mitarbeiter als deren geldwerten Vorteil (Arbeitslohn), da den Arbeitnehmern die Teilnahme an den Untersuchungen freigestellt und somit ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin nicht feststellbar sei. Daraufhin modifizierte die Klägerin die Regelungen mit Beginn des Streitjahres 2007 dahin, dass sie die einzelnen berechtigten Mitarbeiter zur Teilnahme an den Untersuchungen „aufforderte” bzw. sie schriftlich erinnerte und deren Teilnahme in den Personalunterlagen erfasste. Der Beklagte bejahte im Rahmen einer Lohnsteuerauskunft weiterhin die Lohnsteuerpflicht der Aufwendungen, weil die Klägerin auf ihre Arbeitnehmer entgegen dem Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1983, 39 keinen deutlichen Zwang ausübe.

Mit (berichtigter) Lohnsteueranmeldung für Juli 2007 behandelte die Klägerin die Kostenübernahme für einen Arbeitnehmer, der an der Vorsorgeuntersuchung teilgenommen hatte, als Arbeitslohn (742 EUR Lohnsteuer), legte hiergegen indes Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, es fehle bereits an einer Bereicherung des Arbeitnehmers, weil ihm die Aufwendungen für eine privat durchgeführte Vorsorgeuntersuchung von seiner Krankenversicherung erstattet worden wären. Ferner überwiege ihr – der Klägerin – eigenbetriebliches Interesse unabhängig davon, dass sie eine Nichtteilnahme an den Untersuchungen nicht sanktioniere – was im Übrigen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch nicht erforderlich sei. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2008 als unbegründet zurück; es fehle an einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin, weil weder den Mitarbeitern bei Nichtteilnahme an den Untersuchungen berufliche oder finanzielle Nachteile drohten noch die Untersuchungsinhalte berufsspezifisch seien.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie weist erneut darauf hin, dass es an einer Bereicherung der teilnehmenden Mitarbeiter fehle, weil diese aufgrund ihrer Einkommenshöhe entweder freiwillig gesetzlich oder privat krankenversichert seien und ihnen daher die Aufwendungen bei rein privater Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen erstattet worden wären. Das darüber hinaus vorliegende überwiegend eigenbetriebliche Interesse an den Maßnahmen stütze sich auf die Beschränkung der Teilnahmeberechtigung auf die – bei Krankheitsausfall besonders schwer zu ersetzenden – Führungskräfte, die Beauftragung eines Arztes des Vertrauens der Klägerin sowie die Verpflichtung des Arztes zur Weitergabe bestimmter Informationen über die Gesamtheit der Befunde der Belegschaft an die Klägerin, die Festlegung der Häufigkeit und des Programms der Untersuchungen, die fehlende Bereicherung der Arbeitnehmer (die auch im Rahmen des eigenbetrieblichen Interesses als Gesichtspunkt einfließen müsse) sowie die Ausübung jedenfalls mittelbaren Zwangs durch Aufforderungsschreiben, Erinnerungen, Vortragsveranstaltungen etc., die inhaltlich auf die spezielle Situation des einzelnen Mitarbeiters zugeschnitten gewesen seien (regelmäßige Teilnahme; Nichtteilnahme in den beiden letzten Jahren; bisher noch ohne Teilnahme; neu eingestellter Mitarbeiter etc.) und zu einer Teilnehmerquote von mehr als einem Drittel der berechtigten Mitarbeiter geführ...

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