rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehr als zwölfmonatige Tätigkeit für einen Arbeitgeber als Voraussetzung für eine mehrjährige Tätigkeit i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG: Zusammenrechnung der Zeiten mehrerer Arbeitsverhältnisse bei nur formalem Arbeitgeberwechsel von der Tochter- zur Muttergesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG sind nur solche, die für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden. Soweit zu beurteilen ist, ob eine mehr als zwölf Monate dauernde Tätigkeit vorlag, sind die Zeiten eines früheren und des aktuellen Arbeitsverhältnisses zusammenzurechnen, wenn das bestehende (frühere) Arbeitsverhältnis lediglich formal mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt worden ist (Übertragung der BFH-Rechtsprechung zu § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG).

2. Hat der Steuerpflichtige im Auftrag und als Treuhänder der Muttergesellschaft eine Tochtergesellschaft mitgegründet, bei der er als Geschäftsführer tätig war, hat er seine Gesellschaftsanteile bereits rund sieben Monate später ohne Zahlung eines Kaufpreises auf die Muttergesellschaft übertragen, ist ihm für seine Beteiligung an einem „Inzentivprogramm” der Muttergesellschaft die Tätigkeit bei der Tochtergesellschaft angerechnet worden und ist der Steuerpflichtige unmittelbar nach seiner Tätigkeit für die Tochtergesellschaft mit einem geringfügig erhöhten Gehalt von der Muttergesellschaft für den Bereich „General management” eingestellt worden, so sind die Arbeitsverhältnisse mit der Tochter- und anschließend der Muttergesellschaft für den Zwölfmonatszeitraum des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zusammenzurechnen.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 1, 2 Nrn. 2, 4

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 02.03.2020; Aktenzeichen IX R 17/19)

 

Tenor

Der Bescheid über Einkommensteuer 2011 vom 12. März 2013, zuletzt geändert am 06. Mai 2015 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. April 2015, wird dahingehend geändert, dass die dem Kläger zugeflossenen 530.000 EUR bei der Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer als außerordentliche Einkünfte im Sinne von § 34 EStG behandelt werden.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die ermäßigte Besteuerung einer Zahlung des Arbeitgebers.

Im Dezember 2009 startete die B… GmbH aus C… ein zunächst deutschlandweites Coupon-Netzwerk. Ab Februar 2010 erstreckte die B… GmbH ihre Aktivitäten auf das Gebiet von Österreich unter der Internetadresse www. … .at.

Der Kläger gründete zusammen mit Herrn D… am 02. April 2010 die E… GmbH mit Sitz in F…. Bei der E… GmbH handelte es sich um eine Kapitalgesellschaft österreichischen Rechts. Der Kläger und Herr D… übernahmen jeweils eine Stammeinlage in Höhe von 17.500 EUR, womit beide zu jeweils 50 % am Stammkapital der E… GmbH beteiligt waren. Das Gericht nimmt auf die Handelsregisteranmeldung des Notars G… aus F… Bezug (Blatt 91 ff. der Einkommensteuerakte). Die E… GmbH bestätigte dem Kläger, dass er im Zeitraum vom 07. April 2010 bis 31. Oktober 2010 für diese als Geschäftsführer tätig gewesen sei. Ausweislich einer Verdienstbescheinigung erzielte der Kläger eine Grundvergütung von 3.000 EUR (brutto) sowie Sonderzahlungen in Höhe von ca. 2.200 EUR (brutto) im Juli und Oktober 2010. Das Gericht nimmt auf die Bescheinigung vom 08. November 2013 (Blatt 65 der Gerichtsakte) und auf die Gehaltsbescheinigung (Blatt 85 der Einkommensteuerakte) Bezug.

Bereits am 05. November 2010 übertrugen der Kläger und Herr D… ihre Geschäftsanteile an der E… GmbH an die B… GmbH. In der österreichischen Notarurkunde wurden der Kläger und Herr D… als Treuhänder bezeichnet. Ferner wurde angegeben, dass beide im Auftrag der B… GmbH die E… GmbH errichtet und diese Gründung im Januar bis April 2010 vorbereitet hätten. Die Stammeinlage sei mit Mitteln der B… GmbH geleistet worden. Dem habe eine mündliche Treuhandvereinbarung zugrunde gelegen. Die B… GmbH zahlte für die Abtretung der Anteile keinen Kaufpreis an den Kläger und Herrn D…. Das Gericht nimmt auf den Abtretungsvertrag Bezug (Blatt 57 ff. der Gerichtsakte).

Mit Vertrag vom 30. September 2010 ging der Kläger mit der B… GmbH ein Arbeitsverhältnis ein; der Kläger wurde für den Bereich „General Management” eingestellt. Das Anstellungsverhältnis sollte zum 01. November 2010 beginnen. Die Bruttovergütung sollte anfänglich 3.300 EUR und ab Mai 2011 3.500 EUR monatlich betragen. Entsprechend erklärte der Kläger in sein...

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