Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerungsrecht für Abfindungszahlung an Grenzgänger nach Frankreich, der für mehrere Unternehmen desselben Konzerns durchgehend in Deutschland tätig war und nach anfänglicher unbeschränkter Steuerpflicht erst später aufgrund eines Umzugs nach Frankreich zum beschränkt steuerpflichtigen Grenzgänger geworden ist. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 52/20)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird ein früher in Deutschland und nunmehr in Frankreich wohnender und durchgehend in Deutschland arbeitender Grenzgänger entlassen, ist die Regelung des Art.13 Abs. 5 DBA-FRA (sog. Grenzgängerregelung) nicht auf die infolge der Entlassung eingeklagte Abfindung anwendbar. Aufgrund des vom Wortlaut des OECD-MA abweichenden Wortlauts des Art. 13 Abs. 1 DBA-FRA und des darin verankerten Arbeitsortsprinzips steht damit das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Abfindung Deutschland zu.

2. War der Arbeitnehmer während seiner Tätigkeit für einen Konzern aufgrund eines inländischen Wohnsitzes zunächst unbeschränkt steuerpflichtig und wurde er erst später durch einen Umzug nach Frankreich zum beschränkt steuerpflichtigen Grenzgänger, hat er früher für andere Unternehmen des Konzerns gearbeitet und ist der Arbeitgeber bei der Bemessung der Abfindung von der gesamten Tätigkeitsdauer bei allen Konzernunternehmen ausgegangen, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzamt die Abfindung nach dem Verhältnis der Zeiten der unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht zur Dauer der gesamten Arbeitshältnisse bei Unternehmen des Konzerns aufgeteilt und nach § 1 Abs. 4 EStG in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG nur den auf Zeiten der unbeschränkten Steuerpflicht entfallenden Teil der Abfindung besteuert hat.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 4, § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 39b Abs. 3 S. 1, Abs. 6, § 34 Abs. 1 S. 3; DBA-Frankreich Art. 13 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 5, Art. 21; KSchG §§ 9-10; OECD-MA Art. 15 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/10 und der Beklagte zu 7/10.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten, die dem Beklagten auferlegt worden sind, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch einfache Erklärung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der am xx.xx. 1968 geborene Kläger mit deutscher Staatsangehörigkeit als französischer Grenzgänger einen Anspruch auf Erteilung eines Bescheids über die Freistellung von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag hat, die sein inländischer Arbeitgeber aufgrund der Zahlung einer Abfindung einbehalten hat.

Der Kläger hatte ursprünglich einen inländischen Wohnsitz in [], den er zum 31. Oktober 2005 aufgab, und nach Frankreich verzog.

Seither hat der Kläger seinen ausschließlichen Wohnsitz in Frankreich, []. Er ist in Frankreich verheiratet und hat zwei in seinem Haushalt lebende leibliche Kinder, die in den Jahren 2000 und 2003 geboren wurden.

Der Kläger stand vom 6. Februar 1995 bis zum 30. Juni 2015 für die Dauer von 245 Monaten ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen des A-Konzerns. Ursprünglich wurde er mit Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1995 mit Wirkung zum 6. Februar 1995 bei der „C Aktiengesellschaft, X-Y, Werk Q” zunächst befristet bis 30. April 1996 als „Montagearbeiter” beschäftigt. Mit Arbeitsvertrag vom 10./12. April 1996 (zwischen dem Kläger und der („C Aktiengesellschaft, X-Y; Werk Q”) wurde das Arbeitsverhältnis ab 1. Mai 1996 – wiederum als Montagearbeiter – unbefristet fortgesetzt. Schließlich wurde der Kläger aufgrund Arbeitsvertrags vom 19. August 2002 mit der „B Aktiengesellschaft, X-Z” ab 1. September 2002 als „Sachbearbeiter Masch. Auftragsprüfung innerhalb…[des] Produktionsbereiches []” (Angestellter) tätig. Er war im gesamten Zeitraum zwischen dem 6. Februar 1995 bis 30. Juni 2014 im A-Werk in Q beschäftigt.

Für den Zeitraum von Februar 1995 bis Oktober 2005 (129 Monate) führte der Arbeitgeber aufgrund des inländischen Wohnsitzes des Klägers die einbehaltene Lohnsteuer und sonstigen Lohnsteuerabzugsbeträge an das zuständige Finanzamt ab.

Von November 2005 bis einschließlich Juni 2015 (116 Monate) wurde der Kläger aufgrund entsprechender Freistellungsbescheinigungen des beklagten Finanzamtes (Beklagter –FA–) als sog. Grenzgänger gem. Art. 13 Abs. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und der gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (DBA-FRA, BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 343) i.d.F. des Zusatzabkommens vom 28. September 1989 (BGBl II 1990, 770, BStBl I 1990, 413; gültig vom 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 2015 –DBA-FRA–) von der deu...

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