Rz. 8

Gemäß § 3 Satz 1 sind alle Vereinbarungen, die die Geltendmachung des Mindestlohnanspruchs beschränken oder ausschließen insoweit unwirksam. Hiervon sind sowohl arbeits-, als auch tarifvertragliche Ausschlussfristen betroffen, soweit es um den Mindestlohnanspruch geht. Denn Ausschlussfristen gehören zu den Vereinbarungen, die die Geltendmachung des Anspruchs in zeitlicher Hinsicht einschränken würden.[1] Dies wird teilweise damit begründet, dass die Vorschrift des § 9 Sätze 1, 2 AEntG, die dem § 3 MiLoG entspricht, im Gegensatz zu § 3 eine ausdrückliche Regelung bzgl. Ausschlussfristen enthält. Aus der Nichtaufnahme einer solchen Regelung in § 3 wird gefolgert, dass der Mindestlohn auch nicht durch Verfallfristen ausgehebelt werden dürfe.[2] Arbeits- und Tarifverträge beinhalten häufig sog. Ausschluss- oder Verfallfristen. Inhalt solcher Regelungen ist, dass Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien innerhalb einer bestimmten Frist ab der Fälligkeit der Ansprüche gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden müssen. Nur so kann der Untergang der Ansprüche verhindert werden. Im Gegensatz zur Verjährung haben Gerichte Ausschlussfristen von Amts wegen zu prüfen, ohne dass sich der Anspruchsgegner hierauf in irgendeiner Form berufen muss.[3]

 

Rz. 9

Es fragt sich, wie sich § 3 MiLoG im Zusammenhang mit Ausschluss- oder Verfallfristen auf Vergütungen oberhalb des Mindestlohns auswirkt. Dies war bislang umstritten, ist nunmehr aber durch das BAG indirekt geklärt. Wenn vormals vertreten wurde, dass auch der Mindestlohnanspruch untergeht, wenn die Verfallfrist eines Arbeitsvertrags abgelaufen ist, so kann dies nicht mehr aufrechterhalten werden. Hinsichtlich der Ausschlussfristen muss unterschieden werden, ob es sich um arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Ausschluss- bzw. Verfallfristen handelt. Dies hat Auswirkungen darauf, ob eine teilweise Aufrechterhaltung der Klausel erfolgen kann oder nicht, sofern der Mindestlohn nicht aus den Ausschluss- bzw. Verfallfristen ausgenommen wurde.

[1] Vgl. Bayreuther, NZA 2014, 865; Preis/Ulber, Ausschlussfristen und MiLoG, S. 21 ff.; ErfK-ArbR, 22. Aufl. 2022, § 3 MiLoG, Rz. 2-3; Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, § 3 Rz. 24.
[2] Vgl. ErfK-ArbR, 22. Aufl. 2022, § 3 MiLoG, Rz. 2.
[3] Vgl. Hilgenstock, MiLoG – Eine systematische Darstellung 2014, Rz. 160.

7.1 Arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln

 

Rz. 10

Im Hinblick auf arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln entschied das BAG im September 2018, dass diese gänzlich unwirksam sind, wenn sie alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den gesetzlich garantierten Mindestlohn erfassen. Denn es liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor und die Klausel scheitert dann an der AGB-Prüfung; sie ist gänzlich unwirksam, eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt.[1] Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 1.1.2015, d. h. nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes, geschlossen wurde. Die Unwirksamkeit der Klausel insgesamt ergibt sich nicht aus § 3 MiLoG, sondern vielmehr aus der AGB-Kontrolle. Das BAG ist der Auffassung, dass die Klausel dann nicht mehr klar und verständlich ist und daher insgesamt unwirksam.

Diese Auslegung entspricht der Linie des BAG zur AGB-Kontrolle von arbeitsvertraglichen Klauseln. Insofern würde die Ausschlussfrist bei fehlender expliziter Herausnahme des Mindestlohns den Eindruck erwecken, auch der Mindestlohn müsste innerhalb der vereinbarten Frist geltend gemacht werden. So könnte der Arbeitnehmer nach Ablauf der Frist davon abgehalten werden, seinen Anspruch auf Mindestlohn gerichtlich zu verfolgen.[2] Hinsichtlich Ausschlussklauseln in sog. "Altverträgen", d. h. die vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes abgeschlossen wurden, lässt sich jedoch weiterhin vertreten, dass die Ausschlussklauseln, die denklogisch den Mindestlohnanspruch mangels dessen Existenz noch nicht explizit ausgeschlossen haben, nur im Hinblick auf den gesetzlichen Mindestlohn unwirksam sind, im Übrigen aber wirksam bleiben und damit den Mindestlohn übersteigenden Betrag verfallen lassen (Teilunwirksamkeit), sofern nicht eine rechtzeitige Geltendmachung durch den Arbeitnehmer erfolgte. Dies ist zwar nicht unumstritten, jedoch hat sich das BAG für diese Stichtagslösung entschieden.[3] Wurde der Arbeitsvertrag vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes geschlossen, kann nämlich – allein – die Änderung der Gesetzeslage durch das Mindestlohngesetz nicht nachträglich zur (Gesamt-)Unwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung wegen Intransparenz führen, wenn sich ihr Anwendungsbereich entgegen § 3 Satz 1 MiLoG ab dem 1.1.2015 auch auf den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erstreckt.[4]

 
Hinweis

Bei Anpassung von Altverträgen auf Ausschlussklauseln achten

Vorsicht ist geboten, wenn solche Altverträge nach dem 31.12.2014 teilweise geändert bzw. angepasst wurden/werden und der Passus "alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag bleiben unberührt" in der Änderungsvereinbarung enthalten ist. Denn dann ist nach Auffassu...

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