Rz. 52

Vom Mindestlohn nicht erfasst werden Praktika von bis zu 3 Monaten zur Orientierung für die Wahl einer Ausbildung oder eines Studiums. Eine Orientierung liegt vor, wenn der Praktikant noch nicht sicher weiß, ob er den Beruf tatsächlich erlernen bzw. ein bestimmtes Studium aufnehmen will und er sich über das Praktikum mit den zu erwartenden Tätigkeiten vertraut machen möchte, um im Anschluss daran eine Entscheidung treffen zu können. Eine Orientierung liegt dann nicht vor, wenn sich der Praktikant bereits entschieden hat und lediglich zur Überbrückung der Zeit bis zum Ausbildungs- bzw. Studienbeginn im Rahmen eines Praktikums einschlägige Berufserfahrung sammeln möchte. Ebenfalls nicht zur Orientierung wird regelmäßig ein als Praktikum bezeichnetes Rechtsverhältnis während der Zeit der Schulferien einzuordnen sein. Ob für solch ein Praktikum der Mindestlohn zusteht, ist danach zu beurteilen, ob der Praktikant bereits das 18. Lebensjahr vollendet hat. Wurde während der Ausbildung/des Studiums bereits ein Pflichtpraktika absolviert, dient ein weiteres Praktikum beim gleichen Arbeitgeber im gleichen Ausbildungs-/Studienbereich nicht mehr der Orientierung. Mindestlohnfrei kann ein solches Praktikum nur als ausbildungsbegleitendes Praktikum nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ausgestaltet werden.

 

Rz. 53

Nach einem Berufsabschluss wie auch einem Bachelorabschluss wird in der Regel die fachliche Orientierungsphase abgeschlossen sein.[1] Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 dürften insofern bei Aufnahme eines Studiums bzw. Masterstudiums regelmäßig nicht mehr vorliegen. Im Einzelfall kann sich allerdings eine andere Beurteilung ergeben.

Dauert ein solches Praktikum länger als 3 Monate, fällt es komplett unter den Mindestlohn und ist ab dem ersten Tag mit dem Mindestlohn zu vergüten. Das gilt sowohl, wenn das Praktikum von vornherein länger als 3 Monate dauert, wie auch, wenn ein auf 3 Monate befristetes Praktikum darüber hinaus verlängert wird.

Jedoch kann ein Orientierungspraktikum i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG aus Gründen in der Person des Praktikanten rechtlich oder tatsächlich unterbrochen werden und es kann dann um die Zeit der Unterbrechung verlängert werden, wenn zwischen den einzelnen Praktikumsabschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die tatsächliche Tätigkeit die Höchstdauer von insgesamt 3 Monaten nicht überschreitet. Ein zeitlicher Zusammenhang liegt zum einen dann vor, wenn die Unterbrechung nur jeweils wenige Tage dauert. Eine feste Grenze hat die Rechtsprechung hier nicht gezogen. Ausgangspunkt ist, dass das Praktikum der Orientierung dienen soll und daher längere Unterbrechungen diesen Zweck gefährden. Unterbrechungen von mehreren Monaten sind nur denkbar zulässig im Falle einer längeren Krankheit. Ein sachlicher Zusammenhang liegt nur vor, wenn die Praktikumsinhalte im Wesentlichen gleich bleiben.[2]

Dabei ist es unerheblich, ob die Unterbrechung, z. B. aus Gründen des Urlaubs von vornherein geplant war oder im Laufe des Praktikum (z. B. durch Krankheit) eingetreten ist. Bei einer Aufteilung in einzelne Abschnitte ist eine pauschalierende Berechnungsweise auf der Grundlage von 30 Tagen monatlich zugrunde zu legen (§ 191 BGB).

 

Rz. 54

Ob mit demselben Arbeitgeber nach einer nicht nur unwesentlichen Unterbrechung in einem anderen Tätigkeitsbereich ohne Bindung an den Mindestlohn ein weiteres Praktikum zur Orientierung vereinbart werden kann, wird durch das MiLoG nicht unmittelbar beantwortet. Die Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 für Orientierungspraktika kennt zwar – anders als die Regelung zu freiwilligen berufsbegleitenden Praktika des § 22 Abs. 1 Nr. 3 – kein ausdrückliches "Vorbeschäftigungsverbot". Allerdings dürften mehrere Orientierungspraktika bei demselben Ausbildenden nicht mehr der eigentlichen Orientierung dienen. Es spricht daher viel dafür, dass für dieses zweite Praktikum, wenn die 3-Monatsfrist durch das erste Praktikum aufgebraucht ist, der Mindestlohn zusteht. Das trifft besonders dann zu, wenn das Praktikum bei demselben Ausbildenden zur jeweils vermeintlichen Orientierung für dieselbe Ausbildungs- oder Studienrichtung erfolgt. Hier würde dann für das zweite Praktikum der Mindestlohn gelten.

 

Rz. 55

Dass Praktika zur Orientierung bei einem anderen Arbeitgeber auf die Dreimonatsfrist angerechnet werden, lässt sich dem MiLoG nicht entnehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat es zugelassen, dass das Praktikum durch "Schnuppertage" bei einem andern Betrieb kurz unterbrochen wird, ohne dass diese anderen Tätigkeiten anzurechnen sind.[3]

Bei das Kalenderjahr überschreitenden Praktika ist die vor dem Jahreswechsel liegende Praktikumszeit bei der 3-Monatsfrist zu berücksichtigen.

 
Praxis-Beispiel

Ein Praktikant leistet seit dem 1.10.2023 ein Praktikum zur Berufsorientierung ab. Vereinbartes Ende des Praktikums ist der 28.2.2024. Das Praktikum dauert im Jahr 2023 zwar nicht länger als 3 Monate, unter Einbeziehung der gesamten Zeit des Praktikums wird di...

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