Beim faktischen Arbeitsverhältnis[1] fehlt es an der wirksamen Vertragsgrundlage, da diese von Anfang an nichtig ist, z. B. durch

  • Rechtsverstoß[2] oder
  • rückwirkend durch Anfechtung.[3]

Die im Fall unwirksamer Verträge nach allgemeinem Zivilrecht gemäß § 142 Abs. 1 BGB an sich geltende Rechtsfolge, die Rückabwicklung der ausgetauschten Leistungen (sog. "ex-tunc"-Wirkung), bereitet angesichts der erbrachten und nicht zurück zu gewährenden Arbeitsleistung Probleme. Diese Schwierigkeiten der Rückabwicklung löst die Figur des faktischen Arbeitsverhältnisses, indem es quasi-vertragliche Ansprüche gewährt und das fehlerhafte Arbeitsverhältnis für seine gesamte Dauer wie ein rechtswirksam zustande gekommenes Arbeitsverhältnis behandelt wird. Die Nichtigkeitsfolgen greifen also im Arbeitsrecht ausnahmsweise erst mit Wirkung für die Zukunft ("ex-nunc"-Wirkung). Damit bleibt dem Arbeitnehmer die in der Vergangenheit gezahlte Vergütung erhalten, es kommt zu keiner Rückzahlungspflicht.

 
Praxis-Beispiel

Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen wahrheitswidriger Angaben im Bewerbungsgespräch

Im Zuge des Einstellungsverfahrens beantwortet der Bewerber im Personalfragebogen eine zulässigerweise gestellte Frage mit Bezug zum angestrebten Arbeitsverhältnis wahrheitswidrig und wissentlich falsch. Er wird daraufhin auf Grundlage eines schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrags eingestellt. Nach mehreren Monaten stellt sich der wahre Sachverhalt für den Arbeitgeber heraus und er erklärt umgehend die Anfechtung des Arbeitsvertrags.

Umfang des faktischen Arbeitsverhältnisses

Ein faktisches Arbeitsverhältnis wird für den Zeitraum, in dem es trotz der ihm anhaftenden Mängel in Vollzug gesetzt war, wie ein fehlerfrei zustande gekommenes Arbeitsverhältnis behandelt.[4]

Während des faktischen Arbeitsverhältnisses gelten die gleichen Rechte und Pflichten in Art und im Umfang des an sich angestrebten Arbeitsverhältnisses.[5] Es gelten die arbeitsrechtlichen Schutzgesetze, der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit.[6] Aufgrund der fehlerhaften Rechtsgrundlage besteht kein durchsetzbarer Anspruch des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung.

Beendigung des faktischen Arbeitsverhältnisses

Der Arbeitnehmer kann seine Tätigkeit durch einseitige Erklärung jederzeit beenden.[7] Er hat dabei keine Kündigungsfristen oder Formerfordernisse zu beachten. Auch der Arbeitgeber ist an keine kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften gebunden und kann das Beschäftigungsverhältnis jederzeit und fristlos beenden.[8] Insbesondere ist keine Betriebsratsanhörung erforderlich, das Schriftformerfordernis des § 623 BGB gilt ebenfalls nicht.

Ob diese Grundsätze auch im Rahmen eines auf eine Berufsausbildung gerichteten Beschäftigungsverhältnisses gelten, ist allerdings zweifelhaft, da einer solchen Rechtsfolge der Schutzzweck des Berufsbildungsgesetzes entgegenstehen dürfte.[9]

Die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses sind sinngemäß auch anwendbar auf einen unwirksamen Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers – dies kann ausnahmsweise dann anders sein (und der Vertrag für die Zukunft als wirksam betrachtet werden), wenn die Parteien den Vertrag jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet haben und es sich beim Unwirksamkeitsgrund lediglich um einen formalen Mangel gehandelt hat.[10]

[1] Vgl. BAG, Urteil v. 3.11.2004, 5 AZR 592/04, wonach der Ausdruck des "fehlerhaften" Arbeitsverhältnisses besser passt.
[4] BAG, Urteil v. 3.11.2004, 5 AZR 592/03; BAG, Urteil v. 27.7.2010, 3 AZR 317/08; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.11.2013, 21 Sa 866/13.
[9] In diese Richtung, aber letztlich offen gelassen von BAG, Urteil v. 27.7.2010, 3 AZR 317/08.

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