Das Europarecht hat auch über die allgemeinen Prinzipien, insbesondere die Diskriminierungsverbote, hinaus gezielt Aspekte des Arbeitsverhältnisses – durch Richtlinien – geregelt. Die wesentlichen arbeitsrechtlichen Richtlinien[1] haben bereits weitreichenden Einfluss auf die Gestaltung des deutschen individual- und kollektivrechtlichen Arbeitsrechts gehabt und werden – in der fortschreitenden Auslegung des EuGH – auch zukünftig als zwingender Rahmen für die nationale Rechtsentwicklung in der Praxis von großer Wichtigkeit sein.[2]

[1] Die Richtlinie 2009/38/EG v. 6.5.2009 – ABl. L 122 v. 16.5.2009, S. 28 – zum Europäischen Betriebsrat, ersetzt die Richtlinie 94/45/EG v. 22.9.1994 – ABl. Nr. L 254 v. 30.9.1994, S. 64, die zum 6.6.2011 außer Kraft tritt,

vgl. sogleich Abschn. 4.1 bis 4.5 und Abschn.5.

[2] Zum Einfluss des europäischen Rechts auf den Abschluss von Arbeitsverträgen.

4.1 Nachweispflichten des Arbeitgebers

Die Richtlinie 91/533/EWG vom 14.10.1991[1] (Nachweisrichtlinie) hatte Mindestforderungen zur Information des Arbeitnehmers über die für ihn geltenden Arbeitsbedingungen (zu erbringende Tätigkeit, Arbeitszeit, Urlaub, Kündigungsfristen, ggf. geltende Tarifverträge) aufgestellt. Die Richtlinie galt für alle bestehenden und neuen Arbeitsverträge, die dem Recht eines Mitgliedstaats der EU unterliegen.

Deutschland hat die Richtlinie 91/533/EWG durch das Nachweisgesetz (NachwG) vom 20.7.1995 umgesetzt. Die Richtlinie (EU) 2019/1152 vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union hat die Richtlinie 91/533/EWG (Arbeitsbedingungenrichtlinie) ersetzt. Zweck ist es, auf Grundlage einer transparenten und vorhersehbaren Beschäftigung die Arbeitsbedingungen zu verbessern.[2]

Deutschland hat die neue Arbeitsbedingungenrichtlinie im Wesentlichen mit Wirkung zum 1.8.2022 durch Änderungen des Nachweisgesetzes umgesetzt.[3]

Die Änderungen bedingen zwar keine "Revolution", denn in der Praxis erfüllen die meisten Arbeitgeber die Maßgaben des Nachweisgesetzes auf Grundlage der schriftlich vereinbarten Arbeitsverträge. Indes verschärfen sich die durch den Arbeitgeber zu beachtenden Anforderungen im Detail. Insofern ist insbesondere die neu eingeführte Bußgeldvorschrift nach § 4 NachwG relevant. Hiernach droht Arbeitgebern ein Bußgeld von bis zu 2.000 EUR, wenn sie die Nachweispflichten verletzen. Neu ist zudem auch die Regelung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 NachwG, wonach der Arbeitgeber Hinweise zum Kündigungsverfahren und zur Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage zu erteilen hat – kaum ein Arbeitsvertrag wird zuvor entsprechende Hinweise enthalten haben. Auch die Fristen zur Erteilung der Nachweise hat der Gesetzgeber verschärft, indes wenig transparent geregelt, da unterschiedliche Fristen zur Erteilung der Nachweise zu beachten sind.[4] Für Aufregung hat die nationale Umsetzung auch deshalb gesorgt, da der deutsche Gesetzgeber an der gesetzlichen Schriftform festgehalten hat und die elektronische Form ausdrücklich ausgeschlossen hat.[5] Nach Maßgabe der Richtlinie wäre es auch zulässig gewesen, den Nachweis der Arbeitsbedingungen in elektronischer Form zu erteilen. Im Wesentlichen empfiehlt es sich, neu angestellten Mitarbeitern vor oder zu Beginn des Arbeitsverhältnisses, das heißt, vor oder an dem ersten Arbeitstag eine vom Arbeitgeber eigenhändig unterzeichnete Ausfertigung des Arbeitsvertrags zu übergeben.[6]

[1] ABl. Nr. L 288 v. 18.10.1991, S. 32.
[2] ABl. Nr. L 186 S. 105.
[3] Durch das Gesetz zur Umsetzung der RL (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts, BGBl. 2022 I S. 1174.
[6] Zu Einzelheiten s. Auswirkungen des Nachweisgesetzes.

4.2 Arbeitszeit und Urlaubsrecht

Mindestvorschriften für die Arbeitszeit[1] sind in der Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003[2] enthalten. Die Umsetzung ist in Deutschland durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG)[3] bzw. Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)[4] erfolgt.

Die Arbeitszeitrichtlinien sehen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden vor. Dabei soll Arbeitnehmern, die mehr als 6 Stunden täglich arbeiten, mindestens eine Ruhepause pro Tag zustehen. Weiterhin soll jedem Arbeitnehmer eine tägliche Ruhezeit von 11 zusammenhängenden Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum gewährt werden; zusätzlich soll ein Tag pro Woche arbeitsfrei sein. Zur Nachtarbeit bestimmt die Richtlinie, dass die normale Arbeitszeit für Nachtarbeiter nicht mehr als 8 Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum betragen soll. Dabei ist sicherzustellen, dass Nachtarbeiter regelmäßig medizinisch untersucht werden. Außerdem ist ein jährlicher Mindesturlaub von 4 Wochen vorgeschrieben. Die Arbeitszeitrichtlinie enthält in Art. 17 ff. allerdings eine Vielzahl von Abweichungsoptionen für den nationalen Gesetzgeber, auch für Kollektivvereinbarungen.

Dabei sind besonders Ausnahmen für Berufe mit traditionell atypischer Arbeitszeitgestaltu...

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