Für dieses konkretisierende Recht folgt der europäische Normgeber einer speziellen Regelungstechnik: Die Anwendbarkeit einzelner Differenzierungskriterien wird durch Primärrecht und durch Richtlinien ausgeschlossen (sog. Anknüpfungsverbote). So untersagt Art. 18 AEUV die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, während Art. 157 Abs. 1 AEUV die Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechts untersagt. In der Richtlinie 2000/43/EG vom 29.6.2000[1] ist die Diskriminierung wegen der Rasse oder ethnischen Herkunft verboten, in der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000[2] die Ungleichbehandlung wegen des Alters, der Religion oder Weltanschauung, wegen einer Behinderung oder der sexuellen Ausrichtung. Die Richtlinie 76/207/EWG, geändert durch Richtlinie 2002/73/EG vom 23.9.2002[3], ersetzt durch die Richtlinie 2006/54/EG vom 5.7.2006[4], untersagt schließlich – über das Entgelt hinaus – die Diskriminierung wegen des Geschlechts. Dabei gelten für alle Diskriminierungsverbote des Unionsrechts gemeinsame Grundsätze.

[1] ABl. Nr. L 180 v. 19.7.2000, S. 22.
[2] ABl. Nr. L 303 v. 2.12.2000, S. 16.
[3] ABl. Nr. L 269 v. 5.10.2002, S. 15.
[4] ABl. Nr. L 204 v. 5.7.2006, S. 23.

3.1.1 Arten von Diskriminierungen

Wird an ein verbotenes Differenzierungskriterium unmittelbar angeknüpft, z. B. bei einem Nachtarbeitsverbot für Frauen, spricht man von einer unmittelbaren Diskriminierung. Eine unmittelbare Diskriminierung wird auch dort angenommen, wo das Unterscheidungsmerkmal derart eng mit dem verbotenen Differenzierungskriterium verbunden ist, dass andere (nicht von dem Diskriminierungsverbot geschützte) Personen es gar nicht erfüllen können. So sind nachteilig wirkende Regelungen aufgrund einer Schwangerschaft unmittelbare Diskriminierungen wegen des Geschlechts.[1]

Eine sog. mittelbare Diskriminierung liegt dagegen vor, wenn nach einem (scheinbar) neutralen Merkmal differenziert wird, die faktischen Auswirkungen der Unterscheidung aber eine, durch ein Differenzierungsverbot des Unionsrechts geschützte Personengruppe in besonderer Weise benachteiligen. So wird regelmäßig eine mittelbare Diskriminierung in einer Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten gesehen, weil Teilzeitstellen weit überwiegend mit Frauen besetzt sind. In Art. 2 Abs. 3 und 4 der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG[2], geändert durch die Richtlinie 2002/73/EG, ersetzt durch die Richtlinie 2006/54/EG, werden diesen Diskriminierungsformen die Belästigung und die Anweisung zur Diskriminierung gleichgestellt.[3]

[2] Seit 15.8.2009 ersetzt durch die Richtlinie 2006/54/EG v. 5.7.2006.
[3] Vgl. im deutschen Recht § 4 TzBfG sowie § 3 Abs. 2-5 AGG.

3.1.2 Beweislast

Eine mittelbare Diskriminierung könnte ein Anspruchsteller vor Gericht selten in vollem Umfang nach den allgemeinen Beweislastregeln beweisen. Um die Diskriminierungsverbote effektiv zu machen, hat der EuGH deshalb früh eine Erleichterung nationaler Beweislastregeln gefordert.[1] Im Anschluss an diese Rechtsprechung sieht das Europarecht nun Beweiserleichterungen vor[2]: Danach muss zwar für die Ungleichbehandlung der Vollbeweis geführt werden. Dass die Differenzierung aber gerade aufgrund des verbotenen Merkmals erfolgte, muss nur glaubhaft gemacht werden.[3] Für die Glaubhaftmachung ist heute kein statistischer Nachweis mehr nötig, sondern nur noch die Glaubhaftmachung, dass eine Regelung diskriminierend wirken kann.[4] Ist das verbotene Differenzierungskriterium glaubhaft gemacht, muss der Anspruchsgegner voll beweisen, dass es eine objektive, also nicht diskriminierende Rechtfertigung für die Differenzierung gibt.[5]

[3] Damit ist nicht § 294 ZPO gemeint, sondern eine Beweiserleichterung dergestalt, dass nur Hilfstatsachen dargelegt und bewiesen werden müssen; vgl. BAG, Urteil v. 5.2.2004, 8 AZR 112/03.
[4] Vgl. die Definitionen der mittelbaren Diskriminierung in den neueren Antidiskriminierungsrichtlinien und zum Thema auch EuArbRK-Mohr, 4. Aufl. 2022, RL 2000/78/EG Art. 10, Rz. 5 ff.
[5] Die Richtlinie 2006/54/EG v. 5.7.2006 zum Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts, die zum 15.8.2009 die Richtlinie 97/80/EG abgelöst hat, enthält in Art. 19 eine sinngleiche Beweislastregelung.

3.1.3 Rechtfertigung

Für die Rechtfertigung ist zwischen unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungen zu unterscheiden. Letztere sind allgemein einer Rechtfertigung zugänglich, wenn die Ungleichbehandlung einem rechtmäßigen Ziel[1] dient, das nichts mit dem verbotenen Differenzierungsmerkmal zu tun hat und in verhältnismäßiger Weise eingesetzt wird.[2] Die Dauer der Betriebszugehörigkeit soll (bisher) stets ein rechtmäßiges Differenzierungsziel sein.[3] Dagege...

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