Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Sonderregelung für Kleinunternehmen. Sonderregelung für steuerpflichtige Wiederverkäufer. Steuerpflichtiger Wiederverkäufer, der der Differenzbesteuerung unterliegt. Für die Anwendbarkeit der Sonderregelung für Kleinunternehmen maßgeblicher Jahresumsatz. Handelsspanne oder vereinnahmte Beträge

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 288 Abs. 1 Nr. 1, Art. 315

 

Beteiligte

B

B

Finanzamt A

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 07.02.2018; Aktenzeichen XI R 7/16; BFH/NV 2018, 913)

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.10.2019; Aktenzeichen XI R 17/19 (XI R 7/16))

 

Tenor

Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder einer nationalen Verwaltungspraxis entgegensteht, wonach bei der Ermittlung des Umsatzes, der für die Anwendbarkeit der Sonderregelung für Kleinunternehmen auf einen der Differenzbesteuerung bei steuerpflichtigen Wiederverkäufern unterliegenden Steuerpflichtigen zugrunde zu legen ist, gemäß Art. 315 der Richtlinie nur die erzielte Handelsspanne berücksichtigt wird. Dieser Umsatz ist auf der Grundlage aller von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer vereinnahmten oder zu vereinnahmenden Beträge ohne Mehrwertsteuer zu ermitteln, unabhängig von den Modalitäten, nach denen diese Beträge tatsächlich besteuert werden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juni 2018, in dem Verfahren

Finanzamt A

gegen

B

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze und S. Eisenberg, dann durch S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Mantl und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt A (Deutschland) und B, der als Gebrauchtwagenhändler tätig ist, über die Methode zur Ermittlung des Jahresumsatzes von B für die Anwendung der in der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Sonderregelung für Kleinunternehmen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.”

Rz. 4

Titel XII „Sonderregelungen”) der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält in Kapitel 1 eine „Sonderregelung für Kleinunternehmen”. Abschnitt 2 „Steuerbefreiungen und degressive Steuerermäßigungen”) des Kapitels 1 der Richtlinie umfasst ihre Art. 282 bis 292.

Rz. 5

Gemäß Art. 282 der Mehrwertsteuerrichtlinie gelten die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen nach Abschnitt 2 für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen, die von Kleinunternehmen bewirkt werden.

Rz. 6

Art. 288 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Der Umsatz, der bei der Anwendung der Regelung dieses Abschnitts zugrunde zu legen ist, setzt sich aus folgenden Beträgen ohne Mehrwertsteuer zusammen:

  1. Betrag der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, soweit diese besteuert werden;
  2. Betrag der gemäß Artikel 110, Artikel 111 und Artikel 125 Absatz 1 sowie Artikel 127 und Artikel 128 Absatz 1 mit Recht auf Vorsteuerabzug von der Steuer befreiten Umsätze;
  3. Betrag der gemäß den Artikeln 146 bis 149 sowie den Artikeln 151, 152 und 153 von der Steuer befreiten Umsätze;
  4. Betrag der Umsätze mit Immobilien, der in Artikel 135 Absatz 1 Buchstaben b bis g genannten Finanzgeschäfte sowie der Versicherungsdienstleistungen, sofern diese Umsätze nicht den Charakter von Nebenumsätzen haben.

Veräußerungen von körperlichen oder nicht körperlichen Investitionsgütern des Unternehmens bleiben bei der Ermittlung dieses Umsatzes jedoch außer Ansatz.”

Rz. 7

Nach Art. 289 der Mehrwertsteuerrichtlinie haben „Steuerpflichtige, die eine Steuerb...

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