Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Überarbeitete Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub. Nationale Regelung, nach der das Recht auf Elternurlaub von der Voraussetzung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes abhängt

 

Normenkette

Richtlinie 2010/18/EU

 

Beteiligte

Caisse pour l'avenir des enfants

XI

Caisse pour l'avenir des enfants

 

Tenor

Die Paragrafen 1.1, 1.2 und 2.1 sowie Paragraf 3.1 Buchst. b der (überarbeiteten) Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub vom 18. Juni 2009, die im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG wiedergegeben ist, sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die die Gewährung eines Rechts auf Elternurlaub von der ununterbrochenen Beschäftigung des betreffenden Elternteils über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten unmittelbar vor Beginn des Elternurlaubs abhängig macht. Dagegen stehen diese Paragrafen einer nationalen Regelung entgegen, die die Gewährung eines Rechts auf Elternurlaub vom Arbeitnehmerstatus des Elternteils zum Zeitpunkt der Geburt oder Adoption seines Kindes abhängig macht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation du Grand-Duché de Luxembourg (Kassationsgerichtshof des Großherzogtums Luxemburg, Luxemburg) mit Entscheidung vom 27. Februar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 9. März 2020, in dem Verfahren

XI

gegen

Caisse pour l'avenir des enfants

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Wahl, der Präsidentin der Dritten Kammer A. Prechal (Berichterstatterin) und des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von XI, vertreten durch Y. Kasel, avocat,
  • der Caisse pour l'avenir des enfants, vertreten durch A. Rodesch und R. Jazbinsek, avocats,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Szmytkowska und C. Valero als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Paragrafen 1.1, 1.2 und 2.1 sowie des Paragrafen 2.3 Buchst. b der am 14. Dezember 1995 geschlossenen Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub, die im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (ABl. 1996, L 145, S. 4) in der durch die Richtlinie 97/75/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (ABl. 1998, L 10, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 96/34) wiedergegeben ist.

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen XI und der Caisse pour l'avenir des enfants (Zukunftskasse, Luxemburg) wegen deren Weigerung, XI zur Betreuung ihrer Zwillinge das Recht auf Elternurlaub zuzugestehen, weil diese am Tag der Geburt der Zwillinge keiner entgeltlichen Beschäftigung nachgegangen sei.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 96/34

Rz. 3

Mit der Richtlinie 96/34 sollte die von der Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas (UNICE), dem Europäischen Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) und dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) geschlossene Rahmenvereinbarung über Elternurlaub durchgeführt werden.

Rz. 4

Paragraf 1 („Ziel und Anwendungsbereich”) dieser Rahmenvereinbarung sah vor:

  1. „In dieser Vereinbarung sind Mindestanforderungen niedergelegt, die darauf abzielen, die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben erwerbstätiger Eltern zu erleichtern.
  2. Diese Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer, Männer und Frauen, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat über einen Arbeitsvertrag verfügen oder in einem Arbeitsverhältnis stehen.”

Rz. 5

Paragraf 2 („Elternurlaub”) der Rahmenvereinbarung lautete:

„1. Nach dieser Vereinbarung haben erwerbstätige Männer und Frauen nach Maßgabe des Paragrafen 2 Nummer 2 ein individuelles Recht auf Elternurlaub im Fall der Geburt oder Adoption eines Kindes, damit sie sich bis zu einem bestimmten Alter des Kindes – das Alter kann bis zu acht Jahren gehen – für die Dauer von mindestens drei Monaten um dieses Kind kümmern können. Die genauen Bestimmungen sind von den Mitgliedstaaten und/oder Sozialpartnern festzulegen.

3. Die Voraussetzungen und die Modalitäten für die Inanspruchnahme des Elternurlaubs werden in den Mitgliedstaaten gesetzlich und/oder tarifvertraglich unter Einhaltung der Mindestanforderungen dieser Vereinbarung geregelt. Die Mitgliedstaaten und/oder die Sozialpartner können insbesondere

b) das Recht auf Elternurlaub von einer bestimmten Beschäftigungsd...

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